Gunter Dueck – Flachsinn: Ich habe Hirn, ich will hier raus

Dieses Buch erhielt von Lucyda 4 Sterne

Das Internet, unendliche Weiten voller Informationen, Katzenvideos, Pornografie, Werbung und Sensationen. All das buhlt um unsere Aufmerksamkeit. Wie gehen wir damit um und wie funktionieren die Geschäftsmodelle dahinter? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Autor Gunter Dueck in seinem lesenswerten Buch „Flachsinn“.

Gunter Dueck - Flachsinn. Ich habe Hirn, ich will hier raus
Ja, ist etwas unscharf, aber das Bild war eben eine Momentaufnahme. Cat Content und ungewohnte Dynamik > Bildschärfe!

Über „Flachsinn“ und den Autor

Autor: Gunter Dueck
Titel: Flachsinn: Ich habe Hirn, ich will hier raus
Veröffentlichung: 16.02.2017
ISBN: 978-3593505176
Verlag: Campus Verlag
Der Untertitel des Buchs von Gunter Dueck – Ich habe Hirn, ich will hier raus – wirkt überheblich. Er suggeriert, dass er – bzw. wir als verständige Leser, sich von der breiten, dumme Masse abhebt und etwas arrogant auf sie hinab schaut. Nach den ersten Seiten wird aber deutlicher, was er meint. „Flachsinn“ führt Dueck als Begriff ein, der all das umfasst, was uns tagtäglich an Werbung, Sensationsnachrichten und reine Clickbait-Sensatiönchen, Oberflächlichkeiten, Shitstorms, Inkompetenz und, ganz allgemein, Schwachsinn begegnet.

Kennst du das auch? Du liest im Internet einen halbwegs interessanten Artikel auf irgendeiner News-Seite, scrollst danach noch ein wenig weiter nach unten und triffst dann auf „Weitere interessante Neuigkeiten“. Das sind dann in der Regel Werbungen für Hörgeräte (nein, ich versteh es nicht, warum mir die angezeigt werden!), Werbungen für Apps, mit denen du „in 3 Wochen perfekt eine neue Sprache sprichst“ und weiterer uninteressanter Kram. Auch die Kommentare unter kontroversen Artikeln rangieren häufig unter jeglichem Niveau. Wenn es um solche Dinge geht, will ich auch ganz dringend „hier raus“!

In seinem Flachsinn-Buch geht Dueck auf all das ein. Er deutet mit dem Finger auf diese Gebahren und beleuchtet ihre Hintergründe.

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Weitere Meldungen auf ntv am 18.08.2018 – das ist sogar noch recht moderat

Wer Social Media „macht“, das Internet als Nachrichtenquelle nutzt und/oder außerdem einen wie auch immer gearteten Job im Marketing ausübt, der wird in Duecks Flachsinn-Buch einiges für sich finden. In dieser Rezension greife ich ein paar wenige seiner Punkte auf.

Gunter Dueck ist Professor für Mathematik und war bis zur Rente Chief Technology Officer von IBM Deutschland, also ein hohes Tier in einem global agierenden Konzern. Er kennt sich deswegen aus mit der Business-Welt. Auf Veranstaltungen hält Dueck nun Vorträge, zum Beispiel über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Alltag und Arbeitswelt.

Viele davon finden sich auf YouTube, sie sind recht sehenswert. Dueck macht dort immer den Eindruck eines etwas ratlosen, älteren Herrn, der mit trockenem Humor und leichten Spitzen auf Missstände hinweist. Da bekommst du schon einen Eindruck davon, wie sich sein Buch liest :D Auch über Flachsinn trug er übrigens vor – hier siehst du Dueck in Aktion:

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Alles dreht sich um Aufmerksamkeit

Internet und Medien allgemein und auch die Geschäftswelt sind häufig von mangelnder Sorgfalt und geringer Tiefe geprägt. Heute, wo Nachrichten sich rasend schnell verbreiten können, konkurrieren Medien mit einfachen Twitter-Usern. Es ist wichtiger, die Nachricht über eine neue Flugzeugkatastrophe halbgar zu bringen und über die Ursachen zu mutmaßen, als erstmal tiefgreifend zu recherchieren und hinterher einen soliden Artikel zu präsentieren. Im Internet geht es darum, Aufmerksamkeit zu erhalten.

  • Die Werbung möchte Aufmerksamkeit wecken, damit Menschen Produkte kaufen.
  • Medien möchten Aufmerksamkeit, damit Menschen auf ihre Seiten kommen, sich möglichst lange dort aufhalten und wiederrum auf Werbebanner klicken.
  • Politiker möchten Aufmerksamkeit, um präsent zu sein und dadurch Stimmen zu gewinnen.
  • Angestellte brauchen Aufmerksamkeit, um befördert zu werden.
  • Die Börse braucht Hypes, um auf steigende oder fallende Kurse zu setzen (es reicht ja nicht aus, auf langsam, aber stetig steigende Kurse zu setzen: Besser wäre ein Hype, durch den man an der Spitze Aktien verkaufen kann und als Leerverkäufer sogar noch auf einen anschließenden Wertverfall setzt, um noch mehr abzugreifen)

Es geht überall um Follower, Nutzerzahlen, Status-Symbole und um das Auffallen ganz allgemein. Alles ist überdeckt von einer dicken, klebrigen Schicht „Flachsinn“, so dass das wirklich Wichtige kaum noch Raum bekommt. Gleichzeitig haben sich die Nutzer daran gewöhnt, dass jeder sie unterhalten möchte. Sie bringen keine Geduld mit, längere Artikel ganz zu lesen – „too long; didn’t read“. Sie wünschen sich das Fazit ganz oben, denn sie haben keine Lust und keine Zeit, sich im Internet lange mit einem Text zu beschäftigen, selbst wenn der noch so gut ist.

Dueck erklärt auch, warum das Internet daran schuld ist. In der Zeit vor dem Internet gab es Autoritäten, die mit viel Aufwand Content produziert haben – egal, ob im TV, im Radio oder als Printmedium. Dazu war Zeit und Mühe notwendig, und deswegen konnten die Produzenten sich auch mehr auf die Inhalte konzentrieren. Die Welt war deutlich weniger schnelllebig als heute. Heute gibt es alle fünf Minuten neue Schlagzeilen, und wirklich jeder Mensch hat die Möglichkeit, weltweit gehört zu werden. Es bedarf nur eines viral gehenden Tweets, eines Bildes oder eines Videos.

2016 hatten über 3 Milliarden Menschen Zugang zum Internet. Wenn jeder davon durch das Posten seiner Meinung, seiner Bilder, seines Blogs selbst zum Web beiträgt (beitragen würde), dann wird es sehr „laut“. Wohin soll man denn dann noch schauen? Wer hat am Ende Recht, wenn es nicht mehr die 20 Uhr-Tagesschau ist?

Hilfe! Was ist nun noch wichtig unter all dem Unwichtigen? Wir verbringen immer mehr Stunden mit der Beurteilung, ob etwas ignoriert werden muss (jeden Morgen die Werbemails, Newsletter und unnötigen Kopien) oder ob wir es unserem Gehirn zumuten können. Wir wissen ja genau, dass uns die anderen verführen, belehren und beeinflussen wollen.

Gunter Dueck, Flachsinn, S. 13

Nachrichten und News – Irgendwas ist immer los!

Wer also gehört und gesehen werden will, muss herausstechen. Das geht auf verschiedene Weisen, der schnelllebigste und nur kurzfristig erfolgversprechendste Weg ist aber, einfach lauter zu schreien als alle anderen.

Emotionen triggern

Durch noch auffälligere Werbung und noch emotionalere Headlines, die Sensationen versprechen:

  • Diese Frau ging spazieren – dann geschah etwas UNGLAUBLICHES
  • Unglaubliche Orte – Der 5. Ort bringt jeden zum Lachen
  • Scheidung im Hause Trump! (gemeint war Trumps Tochter)
  • Herzogin Meghan bricht erneut die Etiquette – Queen ist not amused (Meghan hat ihre Handtasche nicht neben ihren Stuhl gelegt)
Clickbait-Headlines
Das ist Clickbait! Auszug aus dem Google News-Stream Ende Juli 2018. Es werden Wörter genutzt, die den Leser zum Klicken animieren sollen

Dabei geht es häufig gar nicht um die objektive und gewissenhafte Informationsverbreitung – das wäre zu langweilig und sticht nicht aus der Masse hervor. Der Mensch will schließlich Sensationen: Er will sich aufregen, sich freuen, über andere Menschen lachen, er ist neugierig und will unterhalten werden. Trockene Nachrichten befriedigen diese Bedürfnisse in der Regel einfach nicht, und deswegen haben diese Flachsinn-Nachrichten so gute Chancen auf Klicks und Aufmerksamkeit.

Essentielles bleibt auf der Strecke

Wirklich wichtige, essentielle Themen gehen dabei unter:

  • der Klimawandel,
  • die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich,
  • das Problem, dass die Ressourcen der Erde nicht unendlich verfügbar sind,
  • dass wir unseren Reichtum aus der Ausnutzung anderer beziehen, z.B. aus unter prekären Bedingungen arbeitende Textilfabrikarbeitern in Bangladesh, aber natürlich auch aus zu reinen Produkten verkommene Schweine, Rinder, Puten und Fische
  • riesige Müllinseln im Meer

Diese Themen sind zu ernst und deswegen zu wenig dafür geeignet, die Menschen zu fesseln. „Ach, bleib mir fern mit diesen deprimierenden Themen. Lass lieber über das Verhalten von Flüchtlingen am Bahnhof sprechen. Es ist unfassbar, dass die alle schwarz fahren!“. Essentielles bleibt auf der Strecke.

Nur kurzfristige Katastrophen interessieren die Menschen: Öltankerunglück und Millionen ölverklebte Vögel an Stränden und rekordverdächtige Hurricanes in der Karibik. Das interessiert und generiert Klicks, aber nach wenigen Tagen ist der Hype vorbei. Die komplexen Hintergründe bleiben ungelöst.

Die Medien sollten uns informieren und aufklären. Sie sollten uns erbauen, weiterbilden und mit uns Lebensfragen und Zukunftsszenarien besprechen. Wir hätten gerne Nachrichten und eine weise Einordnung der Vorkommnisse in das Ganze. Die Medien haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Früher war es die größte Ehre, sorgfältigen und gut recherchierten investigativen Journalismus zu betreiben. Watergate aufdecken oder die CDU-Schwarzgeld affäre! Edward Snowden interviewen! So etwas brachte ewigen Ruhm und natürlich auch Auflage.

So viel Aufwand ist heute nicht mehr nötig. Politiker, Stars und Spitzensportler ringen um Aufmerksamkeit und sind gar nicht so sehr dagegen, wenn ihre Skandälchen in der Presse breitgetreten werden.

Gunter Dueck, Flachsinn, S. 196

Cargo-Kulte – Warten auf die Flugzeuge

Bewegen wir uns mal kurz weg von Sensationen und Nachrichten und hin zur geschäftlichen Welt und zum Marketing. Dueck erklärt den Begriff Cargo-Kult und verwendet ihn dann in seinem Buch immer wieder.

Urvölker und ihre Beobachtungen

Aber was sind Cargo-Kulte? Während des 2. Weltkriegs bauten die Amerikaner auf abgelegenen Inseln Stützpunkte für den Pazifikkrieg. Sie legten Landebahnen an und errichteten Tower daneben, damit Flugzeuge Versorgungsfracht (Cargo) anliefern konnten. Einheimische, die weder die westliche, noch die östliche oder sonst eine Welt kannten, beobachteten das Treiben und stellten fest: Wenn man eine Landebahn baut und daneben ein hohes Gebäude, dann kommt ein eiserner Riesenvogel und bringt den Menschen auf der Erde Güter.

Nach dem Krieg taten sie das auch: Sie bauten Landebahnen und Tower und warteten auf Flugzeuge mit Geschenken. Die niemals ankamen. Und warum nicht? Weil die Einheimischen nur einen kleinen Teil der ganzen Logistikkette sowie das Resultat beobachten konnten. Was sonst noch alles notwendig war, damit Flugzeuge eintrafen, das konnten sie nicht wissen und damit nicht verstehen und schlussendlich auch nicht nachbauen.

„Ein Cargo-Kult kennzeichnet (hoffnungslose) Versuche von Menschen, bestimmte Umstände genau so einzurichten, wie sie einmal waren, ‚als ein Wunder geschah‘. Dann erwarten sie ein Wiedererscheinen des Wunders, was aber nie eintritt, weil sie etwas Wesentliches beim Beobachten des Wunders nicht begriffen hatten.“

Gunter Dueck, Flachsinn, S. 146

Dafür führt Dueck auch einige Beispiele an. Zum Beispiel der Wunsch, das Abschneiden der deutschen Schulen im PISA-Ranking zu verbessern: In Finnland gibt es Ganztagesunterricht und die Schüler dort schneiden super ab. Also führen wir das auch ein und warten dann darauf, dass unsere Schüler auch besser werden. Dazu gehört aber mehr als nur die Einführung von weiteren Schulstunden.

Oder im Business-Bereich: „Alle reden von ‚Big Data‘, das machen wir jetzt auch. Was das konkret bedeutet, weiß ich auch nicht, aber wir beauftragen eine Consulting Agentur und schreiben Big Data schon mal in unser Portfolio, um auf dem Markt zu beeindrucken.“

Datenbanken werden nun in »Big Data« umbenannt, alles Externe ist nun »Cloud«, gemeinsames Arbeiten an einer Doku wird »Collaboration« getauft. Die Türschilder werden gewechselt, die Jobtitel modernisiert. Der Einkaufsbeauftragte für Firmensmartphones wird zum »Leader Mobile Work 4.0«. Alle ernten positive Aufmerksamkeit und Punkte im Attracticon. Es geschieht aber nur wenig, weil die, die von der Zukunft nun so gar keine Ahnung haben, schon glauben, die Meister des Change Managements in den eigenen Reihen zu haben.

Gunter Dueck, Flachsinn, S. 171

Cargo-Kulte sind überall

Denkt man einmal drüber nach, dann findet man überall Cargo-Kulte, wirklich überall. Im weiteren Sinne ist jedes Werbeversprechen ein Cargo-Kult, der höchstwahrscheinlich nicht zu den erwarteten Ergebnissen führt, aber immerhin dem Verkäufer Einkommen beschert.

  • „Wenn ich dieses Shampoo nutze, dann werden meine Haare bald glatt und glänzend sein“
  • „Wir müssen dieses Zertifikat erreichen, das präsentieren wir auf unserer Website und im Verkaufsraum und dadurch requirieren wir mehr Kunden.“
  • „Ich ernähre mich jetzt nach der Paläo-Diät, die hält mich gesund“
  • „Große Konzerne missbrauchen die Daten der europäischen Bürger, wir brauchen eine Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), damit schieben wir diesem Treiben einen Riegel vor“

Dueck will darauf hinaus, dass scheinbare Lösungen immer deutlich einfacher umzusetzen sind, als sich wirklich mit dem Problem zu beschäftigen. Es geht mehr darum, sagen zu können, man hätte etwas getan, um das Problem anzugehen – und nicht darum, wirklich viel Zeit und Geld zu investieren, um das Problem ganz zu durchdringen und es an der Wurzel zu packen.

Wenn Leute reden, die keine Ahnung haben

Je mehr Ahnung jemand von einem komplizierten Thema hat, desto mehr kann/will er darüber sagen. Oder umgekehrt ganz nach dem Motto: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten. Tatsächlich beobachten wir aber in den glorreichen Zeiten des Internets eher das: Um mitzureden und präsent zu sein, geben viele Menschen, genauso aber auch Medien und Politiker, zu komplexen Sachverhalten Stuss von sich. Stuss sind z.B.

  • nicht zielführende Forderungen („Grenzen dichtmachen, Flüchtlinge erschießen“),
  • Schuldzuweisungen („Danke, Merkel“, „Özil ist an allem Schuld„)
  • oder einfach auch nur sensationsheischerische Nachrichten, um zu einem Thema mit viel öffentlicher Aufmerksamkeit doch noch Klicks abzugreifen („Elon Musk macht sich zum Gespött!„).

Du kennst das. Es geht dabei ja auch gar nicht darum, wirklich Lösungen zu finden oder wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten – sondern mehr darum, sich um jeden Preis in den Diskurs einzubringen und etwas beizutragen, egal, wie hilfreich.

Und so kommt man einfach nicht von der Stelle. Millionen Menschen sind der Meinung, alles wäre besser, wenn Deutschland keine Flüchtlinge ins Land ließe. Das ist zu bezweifeln – aber es ist einfach sinnlos, schwierige Themen immer wieder mit jedem einzelnen durchzukauen. Und so muss man damit leben, dass komplexe Themen und Ideen immer wieder mit doofen Totschlagargumenten torpediert werden („Flüchtlinge greifen doch nur Geld ab und wollen sich nicht integrieren!“).

Umfragen bestimmen die Realität

Egal ob in der Wirtschaft, Unterhaltungsindustrie oder Politik: Der zukünftige Kurs hängt häufig von Marktforschungsergebnissen ab. „Lohnt es sich, hier eine IKEA-Filiale zu eröffnen?“ – „Schauen wir mal. Wie groß ist das Einzugsgebiet? Welchen sozialen Status haben die Menschen im Einzugsgebiet? Welche Möbelhäuser gibt es noch?“. Das ist legitim und wirtschaftlich – aber wenn man das auch in weitere Bereiche überträgt, verkommt irgendwann alles zu einem Einheitsbrei.

  • Kino: Was wollen die Leute sehen? „Superhelden in Verbindung mit flachem Humor, das läuft gut. Also machen wir das weiter.“ oder: „Eine dritte Trilogie schadet nicht, wir profitieren von der Bekanntheit und die Leute müssen sie anschauen, um mitreden zu können“. Darüber habe ich mich auch schon mal aufgeregt.
  • Musik: Jan Böhmermann schaute sich an, welche Popsongs in den Charts beliebt sind und setzte mit Hilfe von Affen einen eigenen Song mit dem Namen „Menschen Leben Tanzen Welt“ zusammen. Diese Wörter kamen besonders häufig in Chartsongs vor und mussten deswegen ja besonders beliebt sein. Der Song klingt genauso nichtssagend wie die Vorbilder und wurde von Böhmermann auch ähnlich als Video gedreht. Umfrage: funktioniert.
  • Politik: Alle vier Jahre ist Wahl. Vor den Wahlen wird viel versprochen, um Stimmen zu bekommen, und nach den Wahlen muss man schon an die nächste Wahl denken. Deswegen denkt man lieber kurzfristig und wagt es nicht, unpopuläre Maßnahmen anzugehen. Zum Beispiel, Fleisch deutlich höher zu besteuern, um die Massentierhaltung einzugrenzen. Die Wiederwahl ist dann doch wichtiger als das Tierwohl.

Oder anders: Was sind die Erfolgsrezepte und was kommt gar nicht gut an? Ersteres streben wir an, Zweiteres vermeiden wir. Auf diese Weise versucht man, Misserfolge und Rückschläge zu vermeiden – aber auf der anderen Seite ist kein Platz für Innovation.

Kulturschätze digitalisieren und bereitstellen

Dueck bemängelt, dass es im Internet zuviel Triviales gibt. Dagegen kann man nichts machen. Gleichzeitig werden hochwertige Inhalte aber durch rechtliche Einschränkungen nur eingeschränkt bereitgestellt. Seien es Filmklassiker, alte Kinderserien, gute Infografiken und Dokumentationsfilme – sofern sie nicht direkt in Wikipedia verwendet werden, ist es viel zu oft sehr schwierig, an solche Dinge ranzukommen.

Hat schon mal jemand versucht, eine Galerie mit alten Fotos zusammenzustellen? Ich schon, für meinen Bericht über die Festung Küstrin, die am Ende des 2. Weltkriegs zerstört wurde. Es finden sich alte Fotografien von Küstrin von vor und nach dem Krieg. Aber ich musste haareraufend lang über Rechte recherchieren. Welche Bilder von alten Postkarten darf ich auf meiner Website zeigen? Welche sind noch mit Urheberrecht belegt, auch wenn der Urheber schon längst tot ist? Und wen muss ich fragen, ob ich ein Bild verwenden darf?

Während ständig neuer Müll hinzukommt und die Browser überflutet, haben aufwendig und hochwertig produzierte Inhalte eine Halbwertszeit und müssen irgendwann offline genommen werden. Oder die Urheberrechte sind viel zu lange gültig. Dueck schlägt nun vor, dass das Urheberrecht nur 15 Jahre gültig sein sollte. Geld verdient man in den meisten Fällen danach sowieso nicht mehr daran. Wenn doch, dann könnte sich das Recht ja auch verlängern lassen. Aber wenn nicht, dann könnte die Allgemeinheit Zugriff bekommen auf hochwertige Inhalte und sie für eigene innovative Projekte verwenden.

Warum tragen wir nicht wenigstens alle kulturellen Güter im Netz zusammen, soweit sie digitalisierbar sind?

  • Fotos von allen Sehenswürdigkeiten, Kunstwerken, Produkten, Tieren, Pflanzen, infrage kommenden Menschen des öffentlichen Lebens, geschichtlichen Momenten und Monumenten etc.
  • alle Theaterstücke, Opern, Lehrfilme und Dokumentationen
  • alle Musiknoten aller Zeiten, Kulturen und Komponisten
  • alle Literatur mit Interpretationen, Materialien etc.
  • alle wertvollen (Kinder-)Sendungen aus den Fernseharchiven
  • digitale Kopien von Gebäuden, Kunstwerken, Madame- Tussauds-Wachsfiguren, Tierskeletten und ähnlichem Anschauungsmaterial, Skulpturen und Produkten aller Art (»3D-Druck ready«)

Und weiter: Ich hätte gerne zu allem, was sonst nur Stichwort in einem Lexikon ist, auch PowerPoint-Folien und Abbildungen, die man für Schulpräsentationen oder Konferenzvorträge nutzen kann. Ich könnte dort das Stichwort »Lean Management« oder »Selbstfahrende Autos« eingeben und würde eine Fülle verwendbarer Erklärungsfolien und Bilder bekommen.

Gunter Dueck, Flachsinn, S. 226

Hier bringt Dueck, was mich besonders freut, auch die Möglichkeiten von Virtual Reality mit ein :D Er beschreibt, wie nützlich VR-Brillen sind, um Zugang zu ganz neuen Erfahrungen zu ermöglichen und sich damit weiterzubilden (Museen, Simulatoren, Naturwunder,..). Genau das faszinierte mich auch schon selbst, etwa in Nefertaris Grabkammer in VR.

Fazit zu Duecks „Flachsinn“

Bewertung: 4 von 5 Sternen
Das Buch ist ein Rundumschlag zum Thema Internet und Vernetzung und hält uns allen dabei einen Spiegel vor. Ich bemerke seit einiger Zeit selbst den Trend zum Flachsinn in der öffentlichen Berichterstattung und erhoffte mir von diesem Buch Ideen, wie man damit umgehen könnte. Mir selbst ist nichts anderes eingefallen, als bewusst flachsinnige Headlines und allzu nervige und auffällige Werbung möglichst zu ignorieren und zu boykottieren.

Heute geht es darum, schnell auf den Punkt zu kommen und den Punkt attraktiv darzustellen. Es gibt ja so viel anderes, was den Nutzer ablenkt. In der heutigen Zeit brauchen wir, so folgert Dueck gegen Ende seines Buchs, Menschen, die eine Brücke schlagen zwischen zurückgezogenen Experten und Erfindern und den Menschen auf der Jagd nach Sensationen. Es muss neue Kompetenzen geben, durch die Schwieriges und Nützliches attraktiv dargestellt wird und dadurch Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann.

Dueck gibt darüber hinaus keine wirkliche Antwort darauf, was du und ich tun können, um dem Trend zum Oberflächlichen entgegenzuwirken. Aber das Buch liest sich sehr anschaulich und es liefert Hintergründe und Begrifflichkeiten, durch die man das Problem besser verstehen und ansprechen kann. Ich betrachte es als Grundlagenforschung: Man muss nicht unbedingt alle Fragen beantworten – oft reicht es, die Ursachen für krankhafte Symptome zu identifizieren und zu beschreiben. Die Therapie kann dann jemand anderes liefern.

Mir hat das Flachsinn-Buch dabei geholfen, gewisse Phänomene besser zu verstehen. Dueck hat einen sehr lebendigen und oftmals humorvollen Schreibstil, und er bringt ausgezeichnete Beispiele. Dabei überzeichnet er oft – aber das verdeutlicht, worauf er hinaus will. Das Fazit meiner Buchrezension zu Duecks Flachsinn-Buch ist also: Jop, lesenswert!

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