eReader – Ein unvernünftiges Skeptiker-Review

Dieses Review ist eigentlich seit ungefähr einem Jahrzehnt überfällig. Es geht um eBooks, bzw. eReader, und insbesondere um den Amazon Kindle. Den nenne ich seit rund drei Monaten mein Eigen, und davor fand ich eReader immer unnötig :D Und ja, ich bin etwa zehn Jahre zu spät dran. eReader sind schon längst ein alter Hut. Wikipedia erzählte mir gerade, dass der Kindle (bzw. eine frühere Version davon) schon seit Oktober 2009 in Deutschland verfügbar ist. Egal. Jahrelang verweigerte ich mich, jetzt habe ich auch einen – also schreibe ich jetzt auch ein (verspätetes) Review darüber :D

In vielen Science-Fiction-Geschichten hört und liest man immer wieder den Satz: „Ein Buch aus echtem Papier – was für eine Rarität, das gibt es schon lange nicht mehr!“ – Ich habe dem immer ins Gesicht gelacht und gedacht: Haha, ich lese aber noch echte Bücher! DAS ist Luxus!

Ich bin schon auf viele Züge relativ früh aufgesprungen (Computer, Internet, Digitalkameras, VR-Brille) – warum nicht auch bei eReadern? Tja, ich fand eBooks immer überflüssig. Wozu denn eBooks, wenn es doch richtige Books gibt? An Büchern aus Papier hat mich nichts gestört, ganz im Gegenteil. Viel zu tragen unterwegs? Egal, bin’s gewohnt. Praktisch? Egal, ein Buch soll doch nicht praktisch sein, ein Buch soll unterhalten. Billigere Bücher? Pff, sooo billig nun auch wieder nicht.

Ok, dann anders rum. Wenn ich keinen eReader brauche, warum habe ich dann jetzt einen? Das hat zwei Gründe:

  1. Alle, wirklich alle sagen, eReader sind toll. Leicht, praktisch, günstige Bücher … halt die Zukunft. Wer kann denn schon Nein zur Zukunft sagen? Also ich nicht.
  2. Cyber Monday-Woche im November 2018 (der verdanke ich übrigens auch meinen Saugroboter): Statt regulär 119,- kostete der Kindle Paperwhite in der gerade veröffentlichen 10. Kindle-Generation hier nur 79,- €. Da konnte ich schon doppelt nicht Nein sagen.

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In diesem Beitrag geht es nun – etwas verspätet – darum, ob ich als Bücherliebhaber und eBook-Skeptiker mich nach all der Zeit doch noch zum Kindle-Jünger überzeugen lassen konnte :D Es handelt sich also um ein subjektives Review mit meiner persönlichen Meinung – basierend auf einem rund dreimonatigen und weiterhin andauernden Praxistest.

Kindle Paperwhite
Mein Kindle – das sieht WIRKLICH so papierig aus, ich hab das nicht bearbeitet!

Was kann der Amazon Kindle?

Also erstmal kommen aktuelle eReader mit einem passiven Touch-Display daher, d.h. es leuchtet nicht, wie z.B. beim Smartphone oder Tablet. Damit kommen diese Displays echtem Papier näher und strengen die Augen nicht so sehr an wie das bei leuchtenden Displays der Fall ist. Ich finde den Text so sehr angenehm zu lesen, es erinnert wirklich schon sehr an echtes Papier.

Die Oberfläche ist matt und spiegelt damit auch recht wenig, und der Text ist auch bei Sonnenlicht gut zu erkennen. Im Dunkeln allerdings würde das nichtleuchtende Konzept nicht funktionieren. Deswegen hat der Kindle auch eine LED-Hintergrundbeleuchtung eingebaut, die der Leser bei schlechten Lichtverhältnissen hochdrehen kann. Damit ist der Kindle einem echten Buch gegenüber im Vorteil. Ich stelle die Beleuchtung aber immer möglichst niedrig, weil ich es nicht mag, beim Lesen so angestrahlt zu werden.

Mein Kindle Paperwhite gehört zur ersten Generation, die tatsächlich wasserdicht ist. Damit wurde groß geworben und ich fand es interessant – aber nutzlos. Anscheinend hat sich die Community dieses Feature sehr gewünscht, damit man nun auch in der Badewanne oder im Pool lesen kann.

Ja, keine Ahnung, hier verstehe ich den Hype einfach nicht. In der Badewanne ist es ungefähr 10-15 Minuten echt gemütlich, dann wird es kalt und die Haut verschrumpelt. Sowohl in der Wanne als auch im Pool brauche ich nicht zu lesen. Auch bei Regen sitze ich normal nicht zum Lesen draußen. Aber gut, wasserdicht schadet ja nicht, aber für mich wäre es kein Kaufargument.

Bücher günstig kaufen

Die wirklich interessanten Features des Kindle Paperwhite sind eher digitaler Natur :D Der Kindle hat WLAN und ist mit dem Amazon-Konto verbunden. Damit kann man sich jederzeit (im WLAN) neue Bücher kaufen und runterladen – und damit die aktuelle Buchreihe direkt ohne Unterbrechung weiterlesen. Sehr angenehm. Ich habe gemerkt, dass ich durch den Kindle auch wieder viel mehr lese – was auch an den oft deutlich günstigeren Preisen liegt.

Beispiel für Preise beim Kindle
Buchpreise im Vergleich

Rechts ein Beispiel: Die Kindle-Version von Proxima-Rising kostet 3,99, während das Taschenbuch mit 12,99 € zu Buche schlägt. Allerdings ist dabei zu beachten, dass nicht alle Bücher so günstig zu haben sind! Bei vielen Büchern, deren Preis deutlich höher liegt, ist der Hinweis zu sehen, dass der Verlag den Preis so festgelegt hat und daher daran nichts zu ändern ist.

Dazu kommen noch weitere interessante Angebote, wie die Kindle Leihbücherei für Amazon Prime-Kunden: Jeden Monat gibt’s ein Buch als kostenlose Leihgabe. Seit November habe ich somit schon vier Bücher kostenlos gelesen, was einem Papierbuch-Gegenwert von rund 40-50 € entspricht – oder in anderen Worten: Nach einem Jahr hast du den Preis für den Kindle schon eingespart.

Wer noch mehr liest, für den ist das KindleUnlimited-Abo interessant (dafür braucht man, obwohl der Name das suggeriert, nicht einmal einen Kindle >_>). Für 9,99 € pro Monat gibt es alle Bücher und Hörbücher bei Amazon kostenlos. Richtige Leseratten können kaum noch günstiger Bücher kaufen. Für mich hätte sich das im Januar auch schon gelohnt – ich habe drei Bücher gekauft (und eines kostenlos geliehen) und kam damit über 10 €.

Wörterbücher, Übersetzungshilfen und X-Ray

Davon abgesehen ist der Kindle dafür gemacht, den Leser zu unterstützen. Einerseits lenkt der eReader genauso wenig ab wie ein richtiges Buch, er zeigt im Lesemodus nichtmal die Uhrzeit. Andererseits ist es sehr einfach, beim Lesen auf weitere Informationen zuzugreifen. Vier Beispiele:

  • Übersetzungshilfen: Wer gern in einer Fremdsprache liest, kann angeben, ob und wie viel Hilfe er dabei gern hätte. Schwierig scheinende Begriffe werden dann durch kleine Umschreibungen zwischen den Zeilen erklärt. Das hilft dabei, ein Buch zu lesen, während man nicht alle Vokabeln kennt. Einen Screenshot gibt’s unten :D
  • Wörterbuch und Wikipedia: Markiert der Leser ein oder mehrere Wörte, sucht der Kindle nach Erklärungen dafür und schaut etwa, ob es im Duden und/oder bei Wikipedia Informationen dazu gibt – siehe Screenshot unten ^^
  • X-Ray: „Wer war nochmal dieser Charakter?“. Diese Funktion, die ebenfalls über das Markieren von Wörtern aufrufbar ist, „durchröntgt“ das Buch und liefert dir Buchabschnitte, in denen der Charakter auftaucht. So hast du immer eine Gedächtnisstütze dabei, wenn du mit den Figuren durcheinander kommst.
  • Markieren und Notizen machen: Wer sich während des Lesens gerne mal was notiert (zB. für die spätere Rezension ^^), der kann das hier sehr einfach machen. Bisher hab ich immer ein Foto der entsprechenden Seite gemacht oder per Handy notiert. Hier markiert man einfach eine Passage oder fügt eine Notiz hinzu. Später kann man einfach durch die Markierungen und Notizen scrollen oder sie sich sogar einfach als PDF zumailen lassen.

eReader im Vergleich zu „echten“ Büchern

Nach dieser ersten Beschreibung kommt nun nach drei Monaten und fast neun auf dem Kindle gelesene Bücher meine Vorteile und Nachteile-Liste. Der Kindle muss sich dabei mit echten Papierbüchern messen. Die Vorteile zeigen also die Vorteile eines eReaders im Vergleich zu einem echten Buch :-)

Vorteile im Vergleich zu „echten“ Büchern

  • Immer gut lesbar, da unabhängig von der Umgebungsbeleuchtung
  • Weniger Gewicht und durch eine Dicke von nur einem Zentimeter auch leichter zu halten (Schinken wie Es von Stephen King in Papier sind beim Lesen schon ziemlich unkomfortabel zu halten), auch besser für unterwegs
  • Einfacheres Markieren und Notieren
  • Bei fremdsprachigen Büchern: Übersetzungshilfe
  • Durchsuchen eines Buches nach Begriffen
  • Hilfe direkt aus Wikipedia, Hilfe bei „vergessenen Figuren“
  • Kein Papierverbrauch, der Regenwald freut sich!
  • Komfortfunktionen wie einstellbare Schriftgrößen
  • Bücher sind wirklich deutlich günstiger
  • Leihbücherei für Prime-Kunden und Kindle Unlimited- Abo für stetigen Büchernachschub
  • Ich habe definitiv mehr gelesen in dieser Zeit!

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Gleichauf mit echten Büchern

  • Das Display lässt ein genauso angenehmes Lesen zu (im Dunkeln ist es im Vorteil)
  • Keine Ablenkungen, wie das beim Lesen von eBooks auf einem Tablet zu erwarten wäre
  • Sehr lange Akkulaufzeiten – man bemerkt kaum, dass es ein stromfressendes Gerät ist

Nachteile im Vergleich zu echten Büchern

Bei der obenstehenden kilometerlangen Liste an Vorteilen muss man sich ja fragen, ob es überhaupt Nachteile gibt: Billigere Bücher, leichter, gut lesbar – was will man denn noch? Daher glaube ich, die Nachteile eines eReaders liegen eher im Kopf des Lesers begründet. Denn: Trotz der überwältigenden Vorteile vermisse ich trotzdem richtige Bücher. Vielleicht ist es eine Trotzreaktion, weil Bücher mich schon mein Leben lang begleiten und es mir schwerfällt, davon abzulassen.

Denn der Kindle ist eben kein Buch, sondern ein Gerät. Es fehlt das Gefühl, ein echtes Buch in der Hand zu haben. Und das meine ich auf leicht trotzige Weise ernst!

  • Es gibt keinen typischen Buchgeruch :-(
  • Man kann nicht wirklich blättern – Bücher bestehen aus Seiten! Ein Kindle hat keine Seiten!
  • Echte Bücher können edel sein: Hardcover mit rotem Lesezeichenbendel und Prägung auf dem Cover, leicht beiges Papier mit feiner Struktur – auf dem Kindle ist alles gleich.
  • Ich vermisse das Cover. Wenn ich an gelesene Bücher zurückdenke, habe ich sehr oft auch das Cover bzw. den Umschlag des Buches vor Augen. Beim Download sieht man das Cover zwar in schwarz-weiß und sehr klein, danach aber nicht mehr.
  • Deswegen vergesse ich auch manchmal, wie das Buch überhaupt heißt – habe es irgendwo gesehen, Bewertungen angeschaut, kostenlos ausgeliehen und liest sich gut – aber was lese ich da überhaupt?
  • Es fehlt ein Gefühl dafür, wie weit man mit dem Lesen ist. Eine Fortschrittsanzeige von 50% ist was anderes als ein Lesezeichen in der Mitte. Man liest elektronische Seite für elektronische Seite, aber es ändert sich nichts. Du schaffst nicht die vielen Seiten von rechts nach links und es fehlt damit auch eine Art Erfolgsgefühl
  • Fertig gelesene Bücher habe ich mir immer gern ins Regal gestellt, ein volles Bücherregal steht für all die gelesenen Abenteuer :D Fertige eBooks werden gelöscht und in der persönlichen Amazon-Bibliothek gespeichert. Buuuh!
  • Last but not least kann ich bei eBooks keine schönen Coverfotos für meine Buchrezensionen mehr machen >.<
Amazon Kindle Paperwhite
Der Kindle ist nur wenige mm hoch

Vernunft vs. Gefühl – Mein Fazit zum Amazon Kindle

Am Ende lässt sich festhalten, dass es sehr viele vernünftige Gründe gibt, eBooks zu lesen. Aus unvernünftigen „Bauchgründen“ stelle ich mich aber trotzig, denn im Gegensatz zu einem echten Buch mit vielen Seiten und einem schön gestalteten Cover mit tastbarer Struktur sind eBooks eben doch nur Bits und Bytes. Dass ich das als Computernärrin mal sage…!

eReader sind definitiv vernünftig – aber lieblos. Vielleicht so, als wenn du nach jahrzehntelangem Dinieren unter einem Kronleuchter nun eine Leuchtstoffröhre einbaust. Ist günstiger, heller und fängt weniger Staub, hat aber eben auch nicht so viel Charme. Aber es setzt sich aufgrund der Vorteile eben durch. So, wie sich auch andere Dinge durchgesetzt haben, weil sie effizienter oder weniger aufwändig sind: Statt einer steinernen Prunkfassade an wilhelminischen Stadtvillen haben wir jetzt eben gut gedämmte Passivhaus-Fassaden :D

Selbstverständlich werde ich den Kindle weiterhin nutzen – allein die günstigen Bücher sind es mir wert. Aber ich würde nicht so weit gehen und all meine richtigen Bücher verschenken oder verkaufen. Vielleicht würde ich in Einzelfällen sogar Bücher in Papier nachkaufen, wenn sie mir sehr gut gefallen – damit ich es physisch zum Anfassen habe und es in meinen Trophäenschrank a.k.a. Bücherregal stellen kann.

Davon abgesehen solltest du dich auch – anders als ich – gut dazu informieren, welchen eReader du verwenden möchtest. Ich habe den Kindle sozusagen brain-afk gekauft: Gute Bewertungen, sehr gutes Angebot, viel von gehört. Der Kindle ist aber – wie sollte es auch anders sein – natürlich an Amazon gebunden. Von Kolleginnen hörte ich, dass man etwa mit einem Tolino auch Bücher aus lokalen Bibliotheken ausleihen kann. Amazon hat natürlich ein großes Interesse daran, das eigene Sortiment (und passende Abos) an den Mann zu bringen.

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2 Comments

  1. hobbitfreundin

    Günstiger kann man kaum lesen? Doch, sogar sehr viel günstiger. Für 6-20 € im Jahr bei der Onleihe, der E-Book-Leihbücherei der öffentlichen Bibliotheken. Und man kann 30 Bücher gleichzeitig leihen, auch Bestseller und Tageszeitungen sind im Angebot enthalten. Tja, da kommt die Kindle-Leihbücherei nicht mit. Aber Kindle-Nutzer gucken bei der Onleihe sowieso in die Röhre. Amazon möchte nämlich nicht, dass seine Nutzer anderswo als bei Amazon lesen. Gut geschriebener Erfahrungsbericht, als Bibliotheksmitarbeiterin kann ich aber nur jeden anderen Reader empfehlen und nicht den Kindle.

    PS. Ich vermisse ebenfalls das Cover bei ebooks. Weniger wegen der Farbe, mehr wegen zb Erhebungen, die manche Buchcover haben, dem Glanz, die ganze Haptik einfach.

    PPS. Die Onleihe kann man auch per Tablet, PC oder Smartphone nutzen.

    1. Ravana

      Hey Hobbitfreundin,
      danke für dein Feedback! Du hast Recht, das mit dem „günstiger lesen“ ist ein Griff ins Klo. Ich hab ja ganz unten selbst noch geschrieben, dass der Kindle durch seine Bindung an Amazon Nachteile hat und bspw. keine Bücher ausleihen kann. Ich werde den Satz ändern :-)

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