Altered Carbon – Düstere Sci-Fi-Story über die Abgründe der Macht

Was unterscheidet eigentlich mächtige Menschen von Göttern? Das ist eine Frage, der die Science-Fiction-Serie Altered Carbon unter anderem nachgeht. Wenn Menschen über die Dauer mehrerer Leben zu gelangweilten Monstern werden, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick und dabei buchstäblich über Leichen gehend – wäre es dann legitim, den „Segen der Unsterblichkeit“ zu sabotieren?

Altered Carbon

Altered Carbon – Das Unsterblichkeitsprogramm

Altered Carbon ist eine Science-Fiction-Story, optisch verpackt in Neonfarben im nächtlichen Regen – bekannt aus Blade Runner -, außerdem erkennt man einen Hauch Matrix sowie eine Prise Wolkenstadt und Todesstern aus Star Wars. Fliegende Autos erinnern an Das fünfte Element.

Staffel 1 erschien 2018, Staffel 2 wurde angekündigt (aber mit anderem Cast)

10 Folgen á rund 1h

FSK 16 aufgrund von Sex- und Gewaltdarstellungen

Die Story basiert auf dem gleichnamigen Roman von Richard Morgan, der 2002 erschien. Ich hatte zuvor weder von Buch noch von der Serie gehört und hatte daher eher niedrige Erwartungen an Altered Carbon. Zu Unrecht! Die Serie hat einiges zu bieten und braucht sich meiner Meinung nach auch ganz und gar nicht zu verstecken.

Sie ist allerdings nichts für zartbesaitete Menschen. Sowohl optisch als auch mental gibt es einiges zu verdauen. Blut und Brüste sind ständig zu sehen und es gibt unschöne Folterszenen (in einem Virtual Reality-Konstrukt, also „nur“ virtuelle Folter). Von daher erinnert Altered Carbon auch ein wenig an das ebenso explizite Rome – und nicht nur aufgrund eines gemeinsamen Darstellers. James Purefoy spielte in Rome bereits Markus Antonius (und wie perfekt er das machte!), in Altered Carbon verkörpert er mit dem mächtigen Patriarchen Laurens Bancroft einen recht ähnlichen Charakter.

Mental müssen wir uns mit einigen Konzepten befassen, die derzeit schwer vorstellbar sind und unser Verständnis eines Menschen tief erschüttern können. Dazu unten mehr :D

Die Welt in ein paar 100 Jahren

Bevor ich die Handlung vorstelle, ist es sinnvoll, erstmal kurz zu zeigen, wie sich die Welt und die Menschen in Altered Carbon darstellt. Und das ist relativ unschön. Zwar gibt es faszinierende technische Errungenschaften – die kommen aber vor allem denen zu Gute, die es sich leisten können. Einfaches Zeugs wie Virtual Reality und Telefonie über einen implantierten Chip kann sich aber natürlich jeder leisten.

Die wichtigste Technologie ist aber der „Stack“, eine Art Bewusstseinsspeicherchip, den jeder Mensch im Kindesalter unterhalb des Schädels eingepflanzt bekommt. Der Stack zeichnet das gesamte Bewusstsein inklusive Erinnerungen und Empfindungen 1:1 auf. Dadurch ist es möglich, den Menschen in Körper und „Seele“ aufzuteilen. Der Körper, genannt Sleeve, ist nur noch eine Hülle, die der Mensch wie Kleidung wechseln kann.

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Warum nur einen Körper nutzen?

Stirbt der Körper, kann der Stack in einen anderen Sleeve implantiert werden, der dann von nun an als neuer Körper (oder auch nur leihweise) genutzt wird. Das nennt sich Re-Sleeving. Solange der Stack intakt bleibt, ist der Mensch daher im Grunde unsterblich. Mit genügend Geld kann er sich nach seinem Tod einfach in einen neuen Körper übertragen lassen. Der Stack übersteht viele Todesarten, kann aber trotzdem durch gezielte Gewalt auch zerstört werden. Der ungewollte endgültige, „reale Tod“ ist also noch immer eine potentielle Gefahr – aber gleichzeitig auch mit Faszination verbunden, da selten geworden.

Auch die drahtlose Übertragung von einem Sleeve in einen anderen ist möglich (genannt Needle Cast). Wirklich unsterblich sind aber nur die reichsten der Reichen, die sich regelmäßige Backups per Needle Cast leisten können. Wer dann den „realen Tod“ stirbt, wird zwar mittels Backup re-sleeved, die Ereignisse seit dem letzten Backup fehlen aber in der Erinnerung.

Kurz angesprochen werden dann aber auch Fragen wie: Wenn wir unsterblich sind, wie können sich dann menschliche Beziehungen gestalten? Kann eine Ehe so lange funktionieren?

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Einen neuen Sleeve stellt bei Unfällen die Versicherung, aber trotzdem kann sich das nicht jeder leisten. Eine günstigere Alternative ist die Verwendung von derzeit nicht genutzten Sleeves – etwa, weil der „Besitzer“ als Strafe für Verbrechen körperlos auf Eis gelegt wird. Oftmals werden verstorbene Verwandte daher in temporär „gemietete“ Körper runtergeladen, so dass man mit ihnen zu besonderen Feierlichkeiten noch einmal Zeit verbringen kann.

Die reiche Elite kann für ihre Sleeves auf zahlreiche, extra gezüchtete Klone oder Neuanfertigungen zurückgreifen. Durch ihre Unsterblichkeit sind sie häufig bereits Jahrhunderte alt und werden deswegen Meths genannt, abgeleitet von Methusalem. Meth steht aber auch für fast gottgleiche Macht – die Meths bilden eine sehr elitäre Gemeinschaft, die in der Regel keinen normalen Menschen offensteht.

In Altered Carbon leben die „einfachen“ Menschen in den überfüllten Städten am Erdboden. Meths dagegen residieren in ihren kostspieligen, fantastischen Türmen über den Wolken, wie Götter auf dem Olymp – und sie betrachten das Gewusel der „Grounders“ am Boden mit Abscheu.

Altered Carbon
Da oben hast gewonnen :D

Menschen sind außerdem komplett käuflich geworden. Für Geld geben sie sogar ihr Leben („Bitte töte mich, sonst werde ich gefeuert, bitte!“). In vielen Etablissements ist es – insbesondere unter Beteiligung von Meths, die nach ihrer langen Lebenszeit immer wieder neue Kicks suchen – legitim, andere Menschen zu Tode zu foltern oder ihren Tod billigend in Kauf zu nehmen. Das ist auch in Ordnung, weil die Opfer dann einen neuen, häufig verbesserten Körper/Sleeve benötigen.

Die Rahmenhandlung von Altered Carbon

Takeshi Kowacs („brisante Mischung aus Japaner und Slawe“, hauptsächlich gespielt von Joel Kinnaman) war einst Elitesoldat, wechselte aber aus idealistischen Gründen die Seiten und schloss sich einer Terroristengruppe an. Sein Ziel war, die wachsende Macht der Reichen zu bekämpfen – bis er schließlich gefasst und für Jahrhunderte auf Eis gelegt wurde.

Altered Carbon beginnt mit Kowacs‘ vorzeitigem Re-Sleeving nach 250 Jahren. Dafür hat der mächtige Meth Laurens Bancroft (klasse gespielt von James Purefoy) gesorgt. Kowacs soll einen Mord aufklären – nämlich den von Bancroft selbst. Aufgrund des Backups hat Bancroft durch dieses ärgerliche Zwischenspiel nur 48 Stunden verloren, aber er möchte natürlich wissen, warum er starb. Alles deutet auf Selbstmord hin, aber Bancroft ist überzeugt, dass er sich nicht selbst getötet hat. Es muss demnach Mord sein.

Kowacs, der alle Menschen verloren hat, die ihm nahe standen – und nicht einmal in seinem eigenen Körper steckt, hadert erst mit dem Auftrag und zieht eigentlich die Rückkehr „ins Eis“ vor. Schließlich nimmt er aber doch an – seine miese Grundlaune bleibt allerdings. Kowacs bleibt ein relativ wortkarger, finsterer Typ, der keine Rücksicht auf seinen großen, blonden Sleeve nimmt und deswegen enorme Risiken eingeht.

Altered Carbon - Takeshi Kowacs
Der ursprüngliche Takeshi Kowacs (links) und der neue Kowacs (rechts)

Und das ist auch nötig, denn von Anfang an scheint Kowacs unter Beobachtung zu stehen. Da ist zum einen die junge Polizistin Kristin Ortega (niemand flucht so schön auf spanisch wie sie!), die ihm ständig über den Weg läuft und besonderes Interesse an ihm zu haben scheint. Aber auch ein bis an die Zähne bewaffnetes Killerkommando ist hinter Kowacs her. Der weiß selbst nicht warum und beginnt, verschiedene Spuren zu verfolgen. Dabei stellt sich heraus, dass alles in einem größeren Bild zusammenhängt.

Hilfe bekommt Kowacs unter anderem von der menschenfreundlichen Künstlichen Intelligenz mit dem Namen „Edgar Allan Poe“. Poe betreibt, bzw. IST ein Hotel, das allerdings von Menschen nicht betreten wird („billiges KI-Hotel“). Somit erfreut sich Kowacs als erster Gast seit 50 Jahren Poes ganz besonderer Aufmerksamkeit – gern auch mit einer Schrotflinte in der Hand hinter einem Tresen. Wir kommen jedenfalls in den Genuss von sehr trockenen Sprüchen zwischen Kowacs und Poe :D

Von Menschen und menschlichen Göttern

Neben Sex, Gewalt, durchgeknallten KIs und teilweise heftigen Story-Twists beschäftigt sich Altered Carbon auch mit einer Frage, die sich in nicht allzu ferner Zukunft auch für uns stellen wird. Was unterscheidet einen unsterblichen Menschen mit großer Macht noch von einem Gott? Denn als solche werden Meths teilweise voller Ehrfurcht betrachtet.

Wer das sehr lesenswerte Buch Homo Deus von Harari kennt, der wird sich bei Altered Carbon daran erinnern. Und zwar nicht nur wegen des Buchtitels, „der göttliche Mensch“. Es wird allzu deutlich, dass Altered Carbon eine der dort vorgestellten Visionen ebenfalls vorlebt: Reiche Menschen verbessern sich aufgrund ihres Zugangs zu besserer Technologie selbst weiter und werden zu „neuen“ Menschen, die sich deutlich von den normalen Menschen abheben. Jeder, der sich das nicht leisten kann, wird zurückbleiben und diesen Sprung nicht schaffen. Ein solcher „Homo Deus“ kann alles, was vor Jahrtausenden den antiken Göttern zugeschrieben wurde.

Ganz wie die alten griechischen Götter verhalten sich in Altered Carbon auch die „göttlichen Menschen“: Sie agieren als Familien-Clans, spinnen Intrigen, suchen sexuelle Abenteuer und leben ein Leben in Luxus und Zerstreuung. Dazu gehört auch das Verfügen über Körper und Leben von Menschen am Boden, ganz wie es ihnen beliebt. Die 27 Bancroft-Kinder können auch nicht altern und stehen komplett unter der Kontrolle ihres Vaters, der wie Zeus seiner Familie vorsteht. Diese Ähnlichkeiten zu antiken Götterdynastien sind nicht von der Hand zu weisen!

Wer ewig lebt, alles bekommen kann, was er haben will und Macht ausübt, die sich unsereins nicht vorstellen kann, der ist ein Gott – oder? Die wichtige Frage ist nur: Wie gehen diese „neuen Götter“ mit ihrer Macht um?

Bancroft ist in dieser Hinsicht zwiespältig zu betrachten. Er wird als Gott, aber auch als Teufel bezeichnet. Teufel, weil er rücksichtslos seine Ziele verfolgt. Auf der anderen Seite sieht er sich selbst aber nicht als Teufel und fragt sich sogar: „Ich bin doch kein schlechter Mensch… oder?“. Tatsächlich scheint er sich selbst als gütig zu betrachten. Wenn er eine Hure umbringt, dann bezahlt er ihr natürlich einen neuen Sleeve – eine Frage des Anstands! Menschen in den Slums bringt er gelegentlich persönlich Hilfsgüter und sieht es als normales Opfer an, sich dabei mit einer tödlichen Krankheit anzustecken und vor aller Augen öffentlich zu sterben.

Was macht denn überhaupt einen Menschen aus?

Von Anfang an behandelt Altered Carbon auch die Frage, ob es für Menschen überhaupt in Ordnung ist, ewig zu leben. Das Sterben gehört doch schließlich zum Mensch-Sein dazu. Es gibt verschiedene Strömungen, die gegen das Re-Sleeving protestieren – etwa Neo-Katholiken. Sie glauben: Wer stirbt, sollte nicht re-sleeved werden. Tot ist tot, Gott will es nicht anders. Ortega hat mehrere Diskussionen mit ihrer gläubigen Mutter über dieses Thema. Tatsächlich entscheiden sich viele Menschen auch dafür, nach dem Tod endgültig nicht zurückkehren zu wollen.

Aber auch der menschliche Körper steht zur Debatte. Wir lernen wohl nirgends mehr als in Altered Carbon, dass es nicht darauf ankommt, wie ein Mensch aussieht:

  • aus einem Asiaten wird ein Weißer,
  • aus einer verstorbenen Großmutter wird ein bulliger Biker-Nazi (der kurz darauf auch einem Russen als Körper dient),
  • eine andere gestorbene Frau landet in einem biederen Mann im mittleren Alter und mit schütterem Haar,
  • ein bei einem Unfall gestorbenen Mädchen erhält als „neuen“ Sleeve den einer älteren, völlig verlebten Frau,
  • Kinder nutzen die Klon-Körper ihrer Eltern

… Ja, ein wenig Verwirrung ist vorprogrammiert :D Aber es wird deutlich, dass es völlig unwichtig ist, wie ein Mensch erscheint. In Altered Carbon muss jeder Charakter damit rechnen, dass der Gegenüber nicht der ist, der er zu sein scheint. Und umgekehrt schließen Familien völlig fremde Sleeves in die Arme, weil sie den darin steckenden Menschen erkennen und vermisst haben.

Mein Fazit zu Altered Carbon

Falls du dich auf eine Serie einlassen kannst, die durchaus ziemlich gewalttätig ist, teilweise verstörend, aber sich eben auch mit Fragen beschäftigt, die wir in der Zukunft auch beantworten werden müssen – dann schau sie dir unbedingt an! Die erste Staffel bleibt bis zur letzten Folge spannend und wir entdecken erst nach und nach, wie alles zusammenhängt. Verschiedene Rückblenden helfen uns dabei zu verstehen, wer Kowacs eigentlich ist und welche Ziele er verfolgt(e).

Ganz und gar schlüssig sind manche Details allerdings nicht. Die riesigen Türme der Meths haben etwa auch Gärten und Terrassen hoch über den Wolken. Da dürfte die Luft ziemlich dünn sein und es sollte doch leicht frösteln – aber das wird einfach unter den Tisch fallen gelassen. Auch, dass nur die Reichsten sich Backups ihrer Stacks leisten können, ist etwas unverständlich. Fliegende Autos kann jeder haben, aber eine Datenübertragung ist zu teuer? KIs scheinen in Altered Carbon außerdem sehr „un-maschinlich“ zu sein, sie agieren eher wie Menschen mit erweiterten Fähigkeiten. Und betreiben gern ihre eigenen Puffs und Hotels. Das erscheint mir unlogisch, was sollte denn eine KI mit Geld anfangen? Man fragt sich ein wenig, wozu KIs überhaupt geschaffen wurden.

Der Soundtrack ist nicht so auffällig wie in manchen anderen Serien, aber zwei Songs sind mir gleich ins .. äh Ohr gestochen, weil ich die jeweiligen Versionen schon von Johnny Cash kenne und weil sie einfach verdammt gut passen:

  • God’s gonna cut you down – Ja, Gott (bzw. hier die Götter – siehe unten!) sitzen am längeren Hebel
  • Ain’t no grave – There ain’t no grave can hold my body down: Es gibt kein Grab, das mich halten kann, oder anders: Ich bin unsterblich!
  • Gut gefallen hat mir – im Nachhinein – auch Future starts slow (hab ihn während des Schreibens dieses Beitrags gehört :D In Endlosschleife)

Die erste Staffel umfasst 10 Folgen. Ich war spätestens ab der zweiten Folge gefesselt, als ich merkte, wie mich diese dystopische Zukunftsvision eingenommen hat – und dass es trotz der Ernsthaftigkeit immer wieder trockene Sprüche und weniger ernste Details gibt, wie etwa den rosa-Einhorn-Rucksack, den Takeshi Kowacs ernsthaft immer mit sich herumschleppt :D

Insgesamt hat Altered Carbon das Rad nicht neu erfunden. So gibt es ewiges Leben durch austauschbare Körper es unter anderem auch in der tollen Buch-Quadrologie der Commonwealth-Saga von Peter F. Hamilton. Aber die Zusammensetzung der verschiedenen Räder und der Karosserie ergibt ein ziemlich sehenswertes Fahrzeug :D Dass es ein paar Logikfehler gibt, ist dann geschenkt.

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2 Comments

  1. Torsten Holmer

    Danke für die Rezension :-)

    Ich kann dazu noch beisteuern, dass man das Buch „Alle Menschen sind sterblich“ von Simone de Beauvoir lesen sollte. In diesem Buch gibt es zwei unsterbliche Wesen, einen ehemaligen Prinzen aus dem Mittelalter und eine Maus.

    Was die Maus denkt, wissen wir nicht, aber der Prinz ist sehr unglücklich, weil er merkt, dass Unsterblichkeit auch grosse Schattenseiten hat. In seinem Fall sind die anderen Menschen nämlich nicht unsterblich (er selbst ist es durch einen Zaubertrank geworden, den er vorher an der Maus getestet hat). D.h. seine Frauen und Kinder sterben alle vor ihm und er ist immer wieder einsam. Ausserdem ist das Leben sinnlos, wenn es unendlich ist, da man die ewige Wiederholung des Gleichen erlebt (Weltreiche werden gegründe und vergehen).

    Ein anderer Kontrapunkt sind die Bemerkungen von Joseph Weizenbaum (einem frühen Informatik-Pionier und KI-Kritiker), der es wie die Biologen sieht: der Tod ist eine Erfindung der Natur, damit es überhaupt zu Fortschritt kommen kann. Einzeller sterben nie, sie teilen sich. Daher sind sie seit Millionen Jahren unverändert. Die Evolution höherer Organismen kommt nur dadurch zustande, dass es immer wieder neue Versionen gibt, die sich in Interaktion mit ihrer physischen und sozialen Umwelt auseinandersetzen und bewähren müssen (siehe hierzu auch die Thesen der Memetik). Eine Kultur, die aus immer denselben Personen besteht, muss erstarren. Die Aufgabe der Jugend ist es, die Tradition zu hinterfragen und neue Ideen zu entwickeln.

    Auf einer spirituellen Ebene zeigt dieser Film das Dilemma der traditionellen ICH-Vorstellung, nämlich, dass es im Inneren eines Menschen ein ICH geben soll, dass erhalten werden will. Dabei ist diese Vorstellung nur eine kulturelle Konstruktion, die wir erfunden haben, um mit der wachsenden sozialen Komplexität seit 2000 v Chr. klar zu kommen (siehe das Buch „Die Entstehung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche“ von Julian Jaynes).

    1. Ravana

      Hey Torsten,
      wow, das sind ja interessante Infos und Tipps, vielen Dank dafür! :-) Die in der Serie (und von dir) angeschnittenen Themen finde ich unheimlich interessant. Einen wissenschaftlichen Zugang dazu habe ich (bisher) weder zum Thema „Bewusstsein“ als auch zur Beschäftigung mit der Sterblichkeit des Menschen. Mir fällt aber gerade eine Geschichte von Isaac Asimov ein. Die Solarianer sind Nachfahren der Erdmenschen, die sich auf einem eigenen Planeten niedergelassen haben. Durch Gentechnik konnten sie ihre Lebensspanne auf 400 Jahre und weit mehr ausdehnen. Fortschritt gibt es dort aber nicht mehr: 1) es fehlt der frische Wind, wie du ja auch erwähnst und 2) die Gesellschaft riskiert nichts, da sie ihre Lebenszeit im Vergleich zu den Erdmenschen sehen („die mit ihren 80 Jahren Lebensspanne haben ja nicht viel „Lebenszeit“ zu verlieren, wenn sie irgendwelche riskanten Aktionen durchführen. Wir würden aber viel mehr Lebenszeit verlieren, deswegen müssen wir besser darauf Acht geben und keine Risiken eingehen.“ Wenn wir an die Elben aus Der Herr der Ringe und ihre langen Leben denken, dann sehen wir da ein ganz ähnliches Bild. – Aber das ist natürlich beides Fiktion und vielleicht nur ein Versuch, uns das „endliche Leben“ schönzureden :-)

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