Stanisław Lem – Fiasko

Dieses Buch erhielt von Lucyda 3 Sterne

Die Menschheit befindet sich in „Fiasko“ auf großer Mission: Mit dem beinahe auf Lichtgeschwindigkeit fliegenden Raumschiff EURYDIKE fliegen die Astronauten zu einem weit entfernten Stern, in dessen System man eine entstehende Zivilisation vermutet. Ziel der Mission ist es, einen Kontakt herzustellen, um endlich nicht mehr allein im All zu sein.

Stanislaw Lem - FiaskoSeitenzahl: 429
Erstausgabe: 1986
Review online: 28.08.2017

Fiasko: Handlung

In der Nähe einer Bergbausiedlung auf dem Saturnmond Titan sind mehrere Arbeiter in unwegsamem Gelände verschwunden. Der junge Pilot Parvis, der gerade auf der Station gelandet ist, erfährt, dass sein früherer Vorgesetzter Pirx unter den Verschwundenen ist und macht sich auf die Suche. Dummerweise kommt auch er in eine ausweglose Situation und muss sich, um nicht definitiv zu sterben, selbst tiefrieren – in der Hoffnung, dass er irgendwann gefunden und wiederbelebt werden kann.

Rund 100 Jahre später: Am Titan wird das Raumschiff EURYDIKE montiert, das sich auf dem Weg zum Planet Quinta machen soll, um dort nach außerirdischem Leben zu suchen. Währenddessen findet man die schockgefrosteten Körper der verschwundenen Arbeiter. Die einzige Chance auf Wiederbelebung dieser Unfallopfer besteht an Bord der EURYDIKE. Hier können die Ärzte eines der Opfer wieder ins Leben rufen.

Nach der langen Reise auf beinahe Lichtgeschwindigkeit trifft die EURYDIKE wie geplant am Zielplaneten ein. Das Mutterschiff bleibt in einer entfernten Position zurück und schickt zehn Männer mit einem kleineren Raumschiff, der HERMES, zur Quinta. Plan ist, ein Jahr lang zu versuchen, einen Kontakt mit den Quintanern herzustellen und dann zurückzukehren.

Allerdings funktioniert die Kontaktaufnahme nicht wie geplant…

Fiasko: Rezension

Sprache und Stil

Fiasko ist keine leichte Kost – und das hat vor allem zwei Gründe: Langes Abschweifen und eine ziemlich schwierige Ausdrucksweise.

Lange Exkursionen

Lem flicht in die eigentliche Geschichte immer wieder seitenweise Episoden mit wissenschaftlichem, soziologischem und beschreibendem Hintergrund ein. Das können etwa Gespräche mit Monologen sein, die so lang sind, dass man am Ende schon vergessen hat, dass da eine Person spricht, und um was es im Gespräch überhaupt geht. Oder ein Charakter macht sich Gedanken über irgendeinen Sachverhalt. Oder er liest etwas und wir lesen sozusagen mit.

So besteht ein ganzes Kapitel in Fiasko nur aus der Geschichte eines fiktiven Buchs, in dem der Buchcharakter durch den Amazonas (?) wandert und mit massenweise Termiten zu tun hat, die er auf seinem Weg ausräuchert oder verbrennt. Ich habe das geduldig gelesen, weil ich dachte, dass das vermutlich wichtig werden könnte, zB. als Vergleich für den späteren Umgang mit den Außerirdischen. Aber davon konnte ich dann leider nicht viel erkennen.

Diese Exkursionen können durchaus sehr interessant sein. Es geht etwa um die Gründe für die Unwahrscheinlichkeit, andere Zivilisationen im All zu finden (siehe Fermi-Paradoxon), oder um die Zukunft eines Wettrüstens. Trotzdem ist die Länge und die Masse dieser Episoden schon fast störend – man möchte ja auch in der Geschichte vorankommen und wissen, wie es weitergeht. Sich dann wieder viele Seiten durch einen Monolog zu quälen, kann oftmals doch stören.

Schwierige Sprache

Zu diesen sehr langen Ausflügen in den Hintergrund kommt oft, dass der Sprachstil dabei sehr kompliziert ist. Lem verwendet eine wissenschaftliche Sprache, und zwar

  1. sprachwissenschaftliche Sprache vermischt mit
  2. technisch-wissenschaftlicher Sprache plus
  3. Eigenkreationen plus
  4. Lateinismen.

Sehr häufig setzt Lem lateinische Sprichwörter ein, wie etwa „In dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Manchmal kann man auch aus dem Kontext schließen, was er damit meint, aber nicht immer wird das erklärt. Das kann schon ein wenig nerven – besonders ist eigentlich wenig damit zu rechnen, dass in 200 Jahren Astronauten eine Ausbildung in „Klassik“ haben und sich auf diese Weise verständigen. Einmal sagt ein Hauptcharakter einen entscheidenden Satz auf Latein – ich habe ihn nicht nachgeschlagen und habe damit was verpasst. Dummerweise beziehen sich andere Charaktere danach immer wieder auf diesen Satz.

Ja, die Sprache liest sich häufig fast poetisch und wie eine Art Singsang. Eine gewisse Grundbildung auf Abiturniveau ist insgesamt wohl schon nötig, um halbwegs mitzukommen. Da kommen dann Wörter wie „Lunoklasmus“ oder „limes computabilitatis„, letzteres auch im Zusammenhang mit „transkomputibel“ – gemeint ist, dass auch Computer Grenzen haben und manches nicht berechnen können.

Auch ich habe nicht alles wirklich verstanden, denn teilweise liest sich der Text wie ein wissenschaftlicher Essay, und zwar zu einem Thema, in dem man selbst das Proseminar nicht belegt hat.

Zweigeteilter Roman

Wie in der Handlung oben schon angedeutet, ist Fiasko im Grunde ein zweigeteilter Roman: Wir haben den Handlungsstrang mit dem Piloten Parvis auf Titan und dann die Kontaktmission mit den Quintanern. Einzige Verbindung ist, dass einer der auf dem Titan Eingefrorenen auf der EURYDIKE aufgetaut wird und nun fortan als Teil der Besatzung handelt.

Beide Handlungen sind für sich sehr interessant: Man könnte ein komplettes Buch über jemanden schreiben, der während einer Rettungsaktion im Grunde stirbt und viel später mit moralischen Bedenken erst wiederbelebt wird. Dann könnte man eine interessante Identitätssuche daraus machen.

In Fiasko geht es aber zu etwa 70% um die Kontaktmission. Nachdem der Mensch vom Titan wiederbelebt wurde, erinnert er sich nicht daran wer er ist – das erfahren wir übrigens auch im ganzen Buch nicht! – und diese ganze Episode wird dann im Grunde auch nicht mehr angesprochen. Diese ganze Thematik mit dem Tod auf Titan spielt überhaupt keine Rolle mehr, für gar nichts.

Ich habe mich sehr darüber gewundert, was das soll. Lem hätte in Fiasko wenigstens noch irgendeinen Abschluss einbringen können, dass dem Aufgetauten am Ende in irgendeiner schwierigen Situation wieder einfällt, wer er ist. Aber – nichts! Lem lässt den kompletten ersten Handlungsstrang unter den Tisch fallen. Das ist schade und legt den Verdacht nahe, dass es ihm nur darum ging, mithilfe einer bislang ungenutzten (guten!) Idee die geforderte Seitenzahl zu füllen.

Lem und die Frauen

Ich bin eigentlich keine Hardcore-Feministin, die auf die Barrikaden steigt, wenn eine Story mal keine wichtige Hauptdarstellerin, auch nur für die Quote, reinbringt. In Fiasko gibt es aber trotzdem etwas zu erwähnen.

Die Bücher von Lem, die ich gut in Erinnerung habe – das wären „Der Unbesiegbare“ und Pilot Pirx – verzichten komplett auf Frauen. Lem erwähnt dort mit so großer Selbstverständlichkeit Frauen nicht, dass es mir nichts ausmacht. Er verwendet auch völlig selbstverständlich keine Vor- und Nachnamen, im Grunde existieren bei Lem nur Menschen mit nur einem Namen. Das wird wohl der Nachname sein. Wie Pilot Pirx, Commander Horpach, Rohan, ..

Ich habe das immer so aufgefasst, dass in seinen Geschichten eben allgemein „Menschen“ vorkommen, deren Geschlecht oder Herkunft völlig egal ist. Er geht auch nie auf Hautfarben ein, nur an manchen Nachnamen bemerkt man eine asiatische Abstammung.

Das war für mich komplett ok, und ich finde es sogar gut. Im Grunde ist es ja völlig egal, ob eine Frau eben kompetenter Offizier ist oder ein Mann. Man braucht eigentlich weder Nationalitäten, noch Aussehen, noch Geschlechter einbringen.

Frauen sind geschwätzig

In Fiasko geht es ähnlich los – das Thema Geschlechter kommt gar nicht zur Sprache. Dann schleicht sich auf S. 247 aber doch mal etwas ein:

„Mit der Geschwätzigkeit eines Computers können es nicht einmal Frauen aufnehmen.“

Okay, nichts ist geschwätziger als Frauen, außer dieser Computer (General Operation Device, mit der netten Abkürzung GOD, die immer wieder für nette Anspielungen dient). Find ich nicht so schön, Frauen werden erstmals erwähnt, als es darum geht, einen „schwätzenden“ Computer in seine Schranken zu verweisen. Aber okay.

Frauen sind Mütter, und Mütter haben Kinder

Einen richtigen Knaller fand ich dann aber auf S. 374f. Hier regt sich ein Besatzungsmitglied über eine Debatte in der Vorbereitungsphase der ganzen Mission auf – eine Frau forderte, dass auch Frauen mit auf die Mission dürfen, um dort ein Familienleben zu ermöglichen. Dieser Artikel bringt den Charakter wegen seiner völlig absurden Forderung zur Weißglut. Das ganze Zitat kannst du unten nachlesen.

Ich finde diese Kausalkette „[…] Frauen, also Ehegattinnen, Mütter, also Kleinkinder, Kinderkrippe und Kindergarten, auf einem Raumschiff, […]!“ sehr krass.

Hier setzt Lem Frauen ganz automatisch mit Gattinnen und Müttern gleich und bezeichnet im Satz davor diese ganze Debatte der Forderung nach Gleichberechtigung als Blödsinn. Er spricht Frauen jegliche persönliche Eignung und Kompetenz ab, und folgert selbstverständlich, dass Frauen natürlich nur als Gattinnen und Mütter dabei wären. Und natürlich wolle niemand schwätzende Mütter und brüllende Kleinkinder auf seinem Raumschiff.

Ein Fiasko: Nur Männer dürfen die Menschheit repräsentieren

Ja, tatsächlich forderte der Artikel Familienleben auf dem Schiff, und das halte ich auch eher für Blödsinn. Kinder haben auf einer gefährlichen Mission nichts zu suchen. Aber dieses komplette Absprechen von fachlicher Kompetenz tut schon etwas weh.

Der Roman erschien 1987, das ist natürlich schon eine Weile her – aber nicht so lange, dass man einfach so Frauen allgemein von wichtigen Positionen ausschließen konnte. 1963 flog die erste Frau ins Weltall. Dass Lem diese Passage so ins Buch bringt und die Aussage stehen lässt, ohne den Gesprächspartner des Charakters irgendwie darauf reagieren zu lassen, kann mir nichts anderes sagen, als dass das wirklich Lems persönliche Meinung ist (außerdem hat er als Gott dieses Buches eben keine Frauen an Bord genommen): Frauen schwätzen nur und hüten Kinder, die wichtige Arbeit machen (natürlich!) die Männer. Schon die Forderung, an dieser Aufteilung etwas zu ändern, sei Blödsinn.

Und das ist sehr, sehr hart. Es geht hier um die wichtigste Expedition überhaupt: Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation knüpfen. Diese Männer repräsentieren die gesamte Menschheit und dieses Treffen betrifft auch die gesamte Menschen. Trotzdem schließt Lem kategorisch einfach die Hälfte aller Menschen als Teilnehmer und Repräsentanten aus. Stattdessen werden Frauen völlig selbstverständlich nur für die „schwätzende“ Mutterrolle geeignet angesehen.

Pierre wies mich eben noch darauf hin (danke!), dass in den 60er Jahren mit Lt. Uhura in Star Trek bereits eine schwarze (!) Frau Kommunikationsoffizierin (!) auf der Brücke der Enterprise tätig war. Lem ist da mit solchen Sprüchen wie diesem oben viel zu spät dran.

Logik der Handlung (Achtung: Mit Spoilern!)

Merkwürdig ist, dass die eigentliche, dann schließlich zustande kommende Kontaktaufnahme so reibungslos funktioniert. Man verständigt sich problemlos per „Telegramm“, denn die Codes zur Verständigung hätte man den Quintanern ja mitgeschickt. Hier vergisst Lem ganz und gar, ein bisschen darauf einzugehen, dass es ohne die geringste Kenntnis der anderen Zivilisation gar nicht so einfach sein dürfte, einer fremden Lebensform Wörter wie „Lunoklasmus“ (!) beizubringen. Die Menschen erhalten schließlich im 2. oder 3. Kontakt die Erlaubnis, eine einzige Person auf dem Planeten landen zu lassen. Zuvor müsste man sich ja erstmal verständigen, ob beiden Zivilisationen klar ist, was „Person“ bedeutet..

Auch die gesamte Eskalation der Kontaktaufnahme ergibt keinen Sinn. Schon die Aufnahme der ersten Sonde der Quintaner und deren anschließende Entsorgung als „Schrott“ ist ein schwerer Eingriff in deren Integrität. Aber spätestens das Sprengen des Mondes als „Demonstration der Stärke“ ist völlig unlogisch.

„Sagt hallo, oder wir zerstören euch!“

Natürlich – das gesamte Projekt war sehr teuer und die Erwartungen sind hoch. Umso größer die Enttäuschung, wenn die besuchten Außerirdischen gar keinen Kontakt möchten. Warum sie das nicht möchten, erfahren wir nicht, und man darf nicht den Fehler machen, darüber zu spekulieren – es handelt sich schließlich um eine komplett fremde Lebens(?)form.

Aber diesen Kontakt nun aufzwingen zu wollen, indem man den Mond sprengt und dazu sagt „ihr habt es ja nicht anders gewollt“ – das hätte man auch 1987 sicher nicht gemacht. Ende der 60er noch plädierte Lem in „Der Unbesiegbare“ dafür, die vorgefundene, gefährliche Zivilisation in Ruhe zu lassen, sie kann ja nichts dafür, dass sie sich so entwickelt hat.

Am Ende kommt es außerdem zur Zerstörung des gesamten Planeten, weil ein Mensch dummerweise vergessen hat, sich rechtzeitig beim Raumschiff zu melden. Das ist meiner Meinung nach völlig an den Haaren herbeigezogen. Man könnte meinen, dass Lem überhaupt keine Lust auf diese Story hatte und sich kein bisschen darum geschert hat, ob sich die Charaktere überhaupt halbwegs vernünftig verhalten. Niemand… niemand! – sprengt einen Planeten, weil der einzige Mensch am Boden sich nicht auf die Minute genau gemeldet hat. Hier würde man sich doch doppelt und dreifach absichern, bevor man Genozid begeht.

Keine Moral der Geschicht‘

Schön wäre gewesen, wenn der vergessliche Tempe am Ende wenigstens erkennen würde, dass alles ein Missverständnis war. Dass die Quintaner aufgrund ihrer Beschaffenheit gar nicht hätten Kontakt aufnehmen können. Oder dass sie so fremdartig sind, dass sie die erfolglosen Kontaktversuche nicht als Kontaktaufnahme verstanden hatten – etwa, weil sie sich nicht vorstellen können, dass es fremdes Leben im All gibt. Leider ist dem nicht so. Tempe sieht nur, dass die Quintaner anders aussehen, als man sich vorgestellt hat.

Die versehentliche Zerstörung des Planeten ist tragisch, erscheint aber am Ende mangels einer Moral oder kluger Auflösung der Situation völlig unwichtig. Vielleicht hat Lem es so gewollt, dass dieses versehentliche Zerstören aussieht wie das Herumtrampeln auf einem Termitenbau. Dafür ist aber die am Anfang gebrachte Termitenstory zu unpassend. Dort waren die Termiten im Weg und sie wurden zerstört, um den Weg frei zu machen, als Kollateralschaden sozusagen. Der Kontakt zu den Quintanern war aber Sinn und Zweck einer teuren Reise, da kann und darf es nicht passieren, sie nebenbei aus versehen kaputt zu machen. So unvernünftig und kindisch waren die Menschen als Zivilisation hoffentlich nie.

Mit Frauen Bord wäre das sicher nicht passiert :D

Innovative Ansätze

Trotz aller Kritik bisher finde ich manche Ansätze in Fiasko sehr interessant.

Kalter Krieg

Lem führt dem Leser in Fiasko vor Augen, wo der Kalte Krieg hätte hinführen können. Gegenseitiges im-Schach-halten bis in den Weltraum und Boykott aller globalen Großprojekte, wie Wettermanipulation – hätten wir nicht wenige Jahre nach Erscheinen von Fiasko die Kurve gekriegt.

Wenn während des Wettrüstens nun noch Außerirdische erschienen wären und man nicht wüsste, was sie wollen oder auf wessen Seite sie sich stellen – da hätten sich einige Leute in verantwortlichen Positionen Herzschrittmacher verschreiben lassen müssen.

Großschreiter

Das Konzept eines Großschreiters, also eines „Kampfanzugs“ von der Größe eines achtstöckigen Gebäudes, würde ich gerne verfilmt sehen. Dass es sinnvoll ist, glaube ich dagegen weniger. Damit die gewaltigen Arme und Beine den Bewegungen des Führers im Cockpit folgen könnten, müsste der sie in Zeitlupe durchführen.

Die Menschheit als überlegene Kultur (Spoiler!)

Man kennt es aus früheren Sci-Fi-Geschichten nicht nur von Lem, sondern auch aus Star Trek, dass wir Menschen uns auf die Suche nach außerirdischem Leben machen und dabei auch als überlegen auftreten. Populärer – und wahrscheinlicher – ist es allgemein aber umgekehrt: Wir sind eine junge Zivilisation und werden von weitaus fortgeschritteneren Wesen besucht. The Arrival erst jüngst, aber natürlich auch Independence Day und Krieg der Welten fallen mir da als Blockbuster auf der Leinwand ein.

Fiasko unterscheidet sich zu Star Trek und auch „Der Unbesiegbare“ insofern, dass die Menschheit hier als Aggressoren aufgefasst werden können. Wir sind die Bösen, die über einem unterlegenen Planeten auftauchen, und wir sind diejenigen, die sie, dazu noch grundlos, einfach auslöschen.

Grundlage für andere Geschichten

Ob es so ist oder nicht – aber mir kamen Teile der Handlung oder manche Ideen bereits aus anderen Geschichten bekannt vor. Natürlich sind die anderen Geschichten jünger, also kann Fiasko als Vorlage gedient haben :D

Beispiel: Commonwealth-Saga

Auch in Hamiltons Commonwealth-Saga geht es darum, eine außerirdische Zivilisation zu besuchen. Auch hier fragt man sich, wie man mit ihr umgeht und man tastet sich zunächst vorsichtig und beobachtend vor. In beiden Fällen trifft man auf sich bekriegende Parteien.

Beispiel: Interstellar

In Fiasko macht sich das Missionsschiff die Zeit-manipulierende Wirkung eines Schwarzen Lochs zunutze. Das große Schiff versteckt sich knapp oberhalb des Ereignishorizonts, wo die Zeit langsamer vergeht, während ein kleineres Scoutschiff unterwegs ist, um die Lage auf dem gesuchten Planeten auszukundschaften und Kontakt aufzunehmen. Dabei vergeht für die Crew der EURYDIKE die Zeit anders (langsamer) als für die HERMES – und für beide wesentlich langsamer als auf der Erde.

Ähnliches passiert in Interstellar – nur, dass hier das Mutterschiff außerhalb des Einflussbereichs bleibt und das kleine Scoutschiff auf einem Planeten nach dem Rechten schauen soll.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass beide (Drehbuch-)Autoren Fiasko gelesen haben.

Fiasko: Wertung

Bewertung: 3 von 5 Sternen
Hier ist der Name Programm! Sowohl bei der Handlung, als auch in der Wertung ergibt sich ein Fiasko.

Im Gegensatz zu Der Unbesiegbare von Lem – eines der meiner Meinung nach besten Bücher überhaupt! – kränkt Fiasko an einigen Problemen:

  • die gesamte Titan-Handlung und der Strang mit Pirx/Parvis ist unnötig und schlecht integriert
  • zu viele Exkurse, zuviel „Laberei“ und eine viel zu unnötig gehobene Sprache, die einfach nicht realistisch erscheint
  • die völlig unvernünftige und unlogische Eskalation der Kontaktaufnahme
  • das Abtun von Frauen an Bord als Blödsinn und die Verknüpfung von Frau = Mutter = ungeeignet für die wichtigen Dinge

Ich weiß, dass sich meine Wertung deutlich vom Durchschnitt anderer Wertungen zu Fiasko unterscheidet (3 statt 4-5 Sterne). Nach dem Schreiben habe ich auch andere Rezensionen durchgelesen, habe alles überdacht und bleibe dabei – meiner Meinung nach hat Fiasko heftige Schwächen. Und es liegt nicht am Autor, denn, wie gesagt, „Der Unbesiegbare“ ist eines meiner Lieblingsbücher.

Da das Buch trotz aller Mängel aber doch interessante Ansätze bietet und (teilweise unerwünscht) viel Hintergrundwissen mitliefert, gebe ich doch drei Sterne statt zwei.
Bewertungskategorie StoryBewertungskategorie InnovationBewertungskategorie SchreibstilBewertungskategorie FachwissenBewertungskategorie FigurenBewertungskategorie Lesespaß

» So funktioniert die Buchbewertung

Fiasko: Zitate

Das Aussterben galaktischer Gesellschaften

Anderen Hypothesen zufolge war des Rätsels Lösung viel einfacher. Wenn die Evolution des Lebens die Vernunft gebiert, tut sie das in einer Serie von einmaligen Zufällen. Diese Vernunft kann im Kindbett erstickt werden, sobald in der Nähe des sie zeugenden Planeten eine stellare Intervention erfolgt. Kosmische Interventionen sind stets blind und schicksalhaft – hatte die Paläontologie mit Hilfe der Galaktographie, dieser Archäologie der Milchstraße, nicht nachgewiesen, welchen Kataklysmen, welchen Bergen von Saurierleichen im Mesozoikum die Säugetiere ihre Vorrangstellung verdankten und welchem Knäuel von Vorkommnissen – Eis- und Regenzeiten, Versteppung, Wanderung der irdischen Magnetpole, Mutationstempo – der Stammbaum des Menschen entwuchs?

Dennoch kann die Vernunft unter Trillionen Sonnen zur Reife gelangen. Sie kann den Weg der irdischen Spezies beschreiten. Dann schlägt dieser in der Sternenlotterie gezogene Gewinn nach ein- oder zweitausend Jahren in die Katastrophe um: Die Technologie ist ein Gebiet voller gefährlicher Fallen, und wer es betritt, findet leicht ein böses Ende.

Die vernunftbegabten Geschöpfe sind durchaus imstande, diese Gefahr zu erkennen – aber erst, wenn es zu spät ist. Die Zivilisationen haben sich der Religionen entledigt und deren späte, entartete Abwandlungen, die Ideologien, durchlaufen, die mit der Erfüllung der irdischen und nur der irdischen Wünsche gelockt haben, sie suchen nun den eigenen Schwung zu bremsen, aber das ist nicht mehr möglich, nicht einmal dort, wo sie nicht von inneren Antagonismen aufgezehrt werden.

S. 124f
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Frauen an Bord? Blödsinn!

In der Steuerzentrale hatte zwar Tempe Dienst, aber Harrach hatte ihn unvermutet überfallen: Eine alte Zeitung hatte seinen Zorn erregt, dem er vor dem Kameraden Luft machen musste. Das Blatt stammte aus der Zeit, als auf der Erde ein wütendes Gezänk über die Beteiligung von Frauen an der Expedition im Gange gewesen war. Zuerst las Harrach einen Absatz über das Familienleben vor, das seinen ihn zustehenden Platz innerhalb der Expedition einnehmen sollte, dann folgten Beschimpfungen, die Vertreterinnen des ewig unrechtmäßig behandelten weiblichen Geschlechts gegen das angeblich von einer Mafia der Männer herrschende SETI ausstießen. Harrach steigerte sich dabei in eine solche Empörung, daß er sich anschickte, die Zeitung in Fetzen zu reißen.

Tempe hielt ihm lachend die Hände fest – dieses Papier war im Sternbild der Harpyie immerhin eine Rarität, ein ehrwürdiges Dokument, von dem keiner wußte, wie es in Harrachs Gepäck geraten war. So jedenfalls behauptete er es selbst. Tempe war anderer Meinung, behielt sie aber für sich. Harrach brauchte solche Artikel, um sein stürmisches Temperament abzureagieren. Der Blödsinn, der in jenem Verlangen nach Gleichberechtigung steckte, war allzu offensichtlich, als daß man ihn ernst nehmen konnte: Frauen, also Ehegattinnen, Mütter, also Kleinkinder, Kinderkrippe und Kindergarten, auf einem Raumschiff, das mit aufgeladenen Sideratoren dahinjagte und bei all seiner Stärke ein Nichts war gegen die fremde Zivilisation, die ses mit ihrer seit Jahrhunderten in den Kosmos getragenen Sphäromachie an sich gezogen hatte! Ein Meer von Druckerschwärze war darüber vergossen worden. Die Moslems hatten zwölfjährige Jungen an die Front geschickt, aber keine Kinder, die noch in der Wiege lagen. Harrach bedauerte unendlich, der Verfasserin all dieses Blödsinns nicht sogleich unter vier Augen begreiflich machen zu können, was er von ihr hielt.

S. 374f

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5 Comments

  1. Hallo Debbie, mir gefällt dein Kommentar. Er ist klar, forsch-frech, sachlich, logisch … Hättest du vielleicht Lust mit einem Beitrag am „Stanislaw Lem Festival“ teilzunehmen. Es wird von Stefan Seydel (Sozialarbeiter, Künstler, Philosophie, Autor …) online organisiert. Einen ersten Eindruck erhältst du unter https://www.youtube.com/watch?v=D3_oolSuQUc und Infos über das Programm und wie du daran teilnehmen kannst unter https://dissent.is/2021/03/15/stanislawlem/
    Gruß Monika

  2. Liebe Debbie,
    (Buch gerade fertig gelesen)

    Gewisse Dinge sollten Frauen und Männer gemeinsam tun, gewisse Dinge jedoch auch getrennt.

    Ich möchte keiner Frau irgendwelche Kompetenzen absprechen und auch keinem Mann. Doch in der Gruppendynamik sieht dies anders aus.

    Wenn eine Gruppe auf engem Raum für längere Zeit eingesperrt ist, verhalten sich die Mitglieder anders, als wenn sie auch mal „raus“ können.

    Nun stelle dir vor, wir haben ein Raumschiff mit einer gemischten Besatzung von sagen wir mal 5 Frauen und 5 Männern. Dieses Raumschiff ist mehrere Jahre unterwegs und etwa 100 Meter lang im begehbaren Bereich.

    Oder ein Langzeit-Atom-Uboot, die können auch heute schon recht lange tauchen.

    Nun entwickelt sich im ersten Jahr eine (verbotene) Beziehung zwischen dem Commander und der 2ten Offizierin. Diese muss geheim gehalten werden. Dann gibts Streit und sie trennen sich. Dann gibt es eine (erlaubte) Beziehung zwischen dieser 2ten Offizierin und dem ersten Maat (ich denke mir hier mal irgendwelche Bezeichnungen aus). Der Commander wird eifersüchtig. Und – von der Mission her gesehen vollkommen irrelevant – bestraft den ersten Maat wegen kleinster Vergehen. Dieser nun entwickelt einen Hass auf den Commander bis hin zur Mordlust – und darf auch nicht rausfinden, das seine Freundin mal mit dem zusammen war. Das mit der Mordlust ist ein bisschen übertrieben, aber wir haben ja nur 100 Meter und sind mehrere Jahre unterwegs, und der erste Maat weiss ja auch nicht, warum er immer bestraft wird und da laufen sich diese Leute alle zwei Minuten über den Weg….

    Ich hoffe du verstehst auf was ich hinaus will: Es sind nicht die Frauen an sich das „Problem“, sondern die Gruppendynamik, wenn mehrgeschlechtliche Crews auf engstem Raum über eine sehr lange Zeit zusammen sein müssen. Dies wurde ja auch wissenschaftlich-experimentell bestätigt wie ich oben gelesen habe, das ist also Fakt und keine Meinung.

    Beispiel aus dem Tierreich: Bei den (echten) Hühnern sind ja auch nur Frauen, wenns da mehr als einen Mann gibt, dann gibts Stress. Egal ob dieser Gockel jetzt „gleichberechtigt“ ist oder nicht, ob er mit den Hühnern mit über die Eier bestimmen darf oder nicht, ob die Gockel-zu-Hühner-Quote erfüllt ist oder nicht, einfach weil da zwei Männer sind statt nur einer und egal wie viele Hühner es da hat.

    Da helfen dann alle Gleichberechtigungsgesetze, -Verbote und -Gebote nichts: Je mehr Gockel es auf dem Hof hat, desto mehr Stress. Am Besten gar keinen, dann gibts auch keine befruchteten Eier….und so ist es auch mit Raumschiffen, nur eben umgekehrt. Das hat gar nichts mit „Wir bösen Männer stellen uns immer über die Frauen“ zu tun: Macht doch selbst so eine Expedition mit nur Frauen, von der Planung bis zur Ausführung, anstatt bei uns Männern („immer“) darüber zu jammern, dass ihr nicht mitmachen dürft. Na? Ach das isses auch nicht? Gnihihihi

    Auch möchte ich zu bedenken geben, dass Männer von der Evolution für die Jagd und Frauen für das Kinderaufziehen „geprägt“ wurden. Man vergleiche nur das wahrgenommene Sichtfeld der verschiedenen Geschlechter. Frauen sehen eher alles im Blickfeld während Männer sich auf ein bestimmtes Objekt fokussieren (müssen).

    Aber so wie Lem das ausdrückt, also da hab ich auch was dagegen. Als ich das gelesen hab, musste ich mir auch an den Kopf greifen…

    1. Lucyda

      Hey Beni,
      also für einen Troll waren das viele Worte, chapeau! Du musst ein Troll sein aufgrund des klischeehaften Mansplainings, der Bauernhof-Rhetorik und des vor allem im Mittelalter gern bemühten „Eva bringt Adams Paradies durcheinander“-Argumentes.

      Aber falls du kein Troll bist: Vielen Dank für das Umschreiben von Lems Meinung in anderen Worten, um es mir verständlicher zu machen ^^ Aber sorry, ich verstehe es noch immer nicht. Die Situation, die du versuchst, mir begreiflich zu machen, zeigt doch zwei Männer, die kindisches Gockelgehabe an den Tag legen, oder? Wer sich durch sein psychologisches Profil disqualifiziert, der sollte zu Hause bleiben. Oder man wirft die beiden in die Luftschleuse, dann ist Ruhe. Oder man setzt einfach eine Kommandantin ein, Frauen haben ja, wie du sagst, das größere Bild im Blick und sind die besseren und umsichtigeren Chefs, was ebenfalls erst jüngst wieder wissenschaftlich bestätigt wurde.

      Von daher: Ich zumindest habe die Hoffnung, dass Männer mehr können als sich auf der Brust zu trommeln und bin relativ sicher: So ein Zusammenleben auf engstem Raum ist möglich, wenn sich jeder, auch Männer, an die Regeln halten und gegenseitiger Respekt vorherrscht (Männer gegenüber Frauen, Frauen gegenüber Männern, Männer gegenüber Vorgesetzten und jeder gegenüber jedem). Oder?

      Ist irgendwie schade, dass du deinen Geschlechtsgenossen so wenig zutraust und lieber das Scheitern einer Mission riskierst, indem ein riesiger Pool qualifizierter Menschen nicht berücksichtigt werden soll, damit das Testosteron nicht in Wallung kommt.

      Nichts für ungut ;-)

      Viele Grüße,
      Lucyda

  3. Sascha Loell

    Guten Tag . Sie haben den Roman offenbar nicht richtig gelesen . Zb die Termitenstory spielt ganz klar in Afrika und nicht am Amazonas. Es gibt keine Frauen an Bord genau so wie es keine Frauen an Bord von Unterseebooten gibt. Es gibt einfach keinen Grund Frauen unbedingt mitnehmen zu müssen. Zumal eine Jahrelange Expedition zu den Sternen zu unerwarteten Spannungen innerhalb der isolierten und eingesperrten Besatzung führen kann wie man aus realen Experimenten weiss. Es gibt auch keine Zerstörung des Planeten Quinta. Es wird an mehreren Stellen im Buch klar gesagt das es keine vollständige Zerstörung geben wird. Die Menschen sind nicht gekommen um einen Völkermord zu begehen.Die Zerstörung des Mondes wurde von einigen Quintanern sabotiert um durch die katastrophalen Folgen der unkontroliert herabstürzenden Trpmümmerteile die feindlichen Staaten oder Machtblöcke zu treffen. Auch wurde im Buch klar gesagt das es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr nur um den Kontakt ging sondern darum die fremde Zivilisation , die in einem ungeheuren aus der Kontrolle geratenen kalten Krieg gefangen ist ,vor der Selbstvernichtung zu retten und zwar mit allen Mitteln. Um den blossen Kontakt, den Austausch von Grussbotschaften und Informationen, geht es schon lang nicht mehr. Im Buch wird klar gesagt das durch das erscheinen des Hermes das militärische Gleichgewicht auf der Quinta zusammenbricht und ein totaler Krieg auf dem Planeten droht was mit allen Mitteln verhindert werden muss , auch mit Mitteln des Kampfes. Was die Titan Story am Anfang angeht : Es geht Offenbar darum mit dem Roman Fiasko die Geschichten um den Piloten Pirx zum Abschluss zu bringen. Pirx findet sein Ende, ob auf dem Titan oder der Quinta bleibt ein Rätsel und das ist halt eben künstlerische Freiheit, ein literarischer Kunstgriff . Und was die seitenlangen Essays angeht , das ist eben Lem. Diese Essays über Ausserirdische Zivilisationen und ihre Evolution ( Hortega – Neyssel Diagramm usw) sind absolut faszinierend und für mich das beste am Buch. Ich habe sonst nirgendwo in der SF Literatur etwas ähnliches gelesen. Lem versucht wirklich ernsthaft auf Basis der Logik über Ausserirdische Kulturen nachzudenken !!!! Wie gesagt in der ganzen SF habe ich sonst nirgends ähnliches gefunden. Das Buch Fiasko ist in seiner Gesammtheit von einem unglaublichen Realismus zb in der Schilderung der technischen Details des ganzen Raumfluges , des Antriebes des Raumschiffes, der Flugmanöver, der Beschreibung der Sphäromachie der Quintaner so das man wirklich von wissenschaftlicher Fiktion im besten Sinne sprechen kann. Fiasko ist ein Meisterwerk der SF , der letzte grosse Roman von Stanislaw Lem und auch nach dem xten durchlesen habe ich keine eklatanten Schwächen im Buch gefunden auch wenn es natürlich auf dem wissenschaftlichen Stand der 80 Jahre ist was zb schwarze Löcher usw angeht .

    1. Ravana

      Hallo Sascha,
      danke für deinen langen Kommentar zu meiner Rezension :-)
      Ich kann nicht ausschließen, dass mir irgendwann wesentliche Fingerzeige entgangen sind und ich deswegen einen falschen Eindruck von der Zerstörung des Mondes und der Motive der Besatzung bekommen habe. Die Details weiß ich heute zugegebenermaßen nicht mehr genau. Ich müsste den Roman nochmal lesen, um deine Erklärungen und meine Kritik zu vergleichen. Deswegen gehe ich darauf jetzt auch nicht ein und lasse deine Kritik an meiner Rezension so stehen.
      Übrigens bin ich riesiger Fan von Lems Geschichte „Der Unbesiegbare“ und habe vor Jahren auf Amazon ähnlich wie du das Buch mit Klauen und Zähnen gegenüber einem Reviewer verteidigt, der es als langweilig und dumm bezeichnet hat. So wie du zu Fiasko stehst, stehe ich zum Unbesiegbaren – mehrmals gelesen und bleibt immer gleich gut :-) Lem scheint wohl zu polarisieren. Entweder, man mag es oder man mag es nicht.

      Ansonsten habe ich aber zu deiner Kritik schon noch was zu sagen. Der Ort, an dem die Termitenstory spielt, ist ein so unwichtiges Detail, dass ich deswegen für die Rezension nicht mehr nachgeschlagen habe und ein Fragezeichen hinter Amazonas setzte.
      Deine Aussage zu den Frauen find ich aber ähnlich heftig wie die von Lem im Buch. Wie ich in der Rezension schrieb, ist es völlig ok, nicht auf die Geschlechter der Crew einzugehen – denn das ist ja schließlich völlig egal. Mensch ist Mensch. Lem sagt dann aber, dass Frauen einfach gar nicht an Bord gehören, weil sie nur Ehegattinnen wären und es dadurch nerviges Kindergeschrei an Bord gäbe. Für ihn kommt es gar nicht infrage, dass Frauen womöglich über mindestens gleichwertige Kompetenz verfügen und DESWEGEN natürlich mit an Bord sein sollten. Frauen wird die Teilnahme verwehrt, weil sie Frauen sind. Das ist Sexismus in Reinform. Ganz selbstverständlich initiieren und absolvieren bei ihm ausschließlich Männer die wichtigste Mission der Menschheit. Und die ziehen sogar die Forderung der anderen Hälfte der Menschheit, sich beteiligen zu wollen, noch ins Absurde („dieser Blödsinn“).
      Und Ähnliches sagst du nun auch. „Es gibt keinen Grund, Frauen unbedingt mitnehmen zu müssen.“ Das klingt ähnlich wie „Es gibt keinen Grund, Frauen unbedingt wählen zu lassen.“ Denke dir das doch mal umgekehrt, wie wäre das: „Es gibt keinen Grund, Männer unbedingt mitnehmen zu müssen.“ Lass das mal sacken. Das wäre doch absurd, oder? Ein Geschlecht stellt sich hin und schließt das andere aus, mit den Worten: „Warum solltet ihr auch dabei sein?“ – Warum denn nicht? Wer geeignet ist, soll gefälligst mit. Egal, welches Geschlecht oder welches Aussehen. Dass man darüber reden muss und dass Lem sogar eine ganze Seite darüber schreibt, wie lachhaft die Forderung nach Gleichberechtigung ist, ist haarsträubend.
      „Unerwartete Spannungen“ einer isolierten und eingesperrten Besatzung ist genauso (sorry) bescheuert. Was willst du damit sagen? Welche Spannungen meinst du? Du beziehst dich auf die „isolierte und eingesperrte Besatzung“. Meinst du damit, dass die Männer in ihrer Konzentration gestört sein könnten, weil weibliche Wesen um sie herumschleichen? Frauen sollen nicht mit, damit Männer nicht abgelenkt werden? Das ist wirklich krass – und tiefes europäisches Mittelalter! Was können denn Frauen dafür, wenn Männer sich ablenken lassen? Es ist doch nicht die Schuld der Frauen, wenn Männer sich nicht unter Kontrolle haben. Ich denke, wir sind mittlerweile so weit, dass die Vorstellung von gemischten Geschlechtern auf engem Raum denkbar ist. Auf der ISS geht es genauso wie in UBooten (seit immerhin 2014).
      Aber ich hoffe mal, dass du das nicht so scharf gemeint hast, wie ich es jetzt interpretiere.

      Ganz kurz noch die beiden weiteren Punkte: Das Schicksal von Pirx bzw. die nicht aufgelöste Identität des Aufgetauten als literarischer Kunstgriff bzw. künstlerische Freiheit – klar, dazu hat Lem jedes Recht. Ob es dem Leser gefällt, mit dem Cliffhanger leben zu müssen, ist dann Geschmacksache – und genau das hab ich dabei ausgedrückt. Ich fand es schade, das nicht zu erfahren.
      Die vielen Essays sind ebenfalls Geschmacksache. Wie du gesehen hast, habe ich sie nicht vernichtend zerrissen, sondern ich fand sie ebenfalls interessant. Nur eben in ihrer Länge und Häufigkeit dem Ablauf der eigentlichen Geschichte nicht besonders zuträglich.

      Viele Grüße
      Debbie

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