Marc Elsberg – BLACKOUT

Dieses Buch erhielt von Lucyda 4 Sterne

In Blackout fällt mitten im Winter in ganz Europa der Strom aus. Und zwar lange. Das Buch zeigt, wie sehr die Menschheit heute auf eine funktionierende Stromversorgung angewiesen ist. Und wie leicht es im Grunde ist, die Strominfrastruktur massiv zu stören.

Herzlichen Dank an meinen lieben Freund Texx, der mich an einem weinseligen Abend auf das spannende Buch BLACKOUT gebracht hat!

Marc Elsberg - BlackoutUntertitel: Morgen ist es zu spät
Seitenzahl: 797
Erstauflage: 2012
Review online seit 8.10.2016

BLACKOUT: Handlung

Innerhalb kürzester Zeit fällt in ganz Europa der Strom aus – mitten im Winter. Alle Versuche, das Stromnetz wieder hochzufahren und zu stabilisieren, misslingen. Was als romantischer Abend im Kerzenschein zu Hause beginnt, setzt sich als Alptraum fort, in dem es ums Überleben geht.

Die Netzbetreiber versuchen mit Extraschichten, ihre Kraftwerke wieder zum Laufen zu bringen. Die Regierungen müssen sich dagegen damit befassen, Notfallpläne für ausgefallene Heizungen sowie die Wasser- und Lebensmittelversorgung auszuarbeiten und umzusetzen. Das wird nicht einfacher, wenn alle Ressourcen knapp werden und die Bevölkerung beginnt, das Vertrauen in die Versprechungen, die Versorgung schnell wiederherzustellen, zu verlieren.

BLACKOUT: Rezension

Personen und Orte

Die Geschichte ist etwas unpersönlich geschrieben. Dadurch kann er es sich erlauben, die Handlung nicht auf eine oder zwei Personen zu konzentrieren. Stattdessen springt er – teilweise schon nach wenigen Absätzen – zwischen völlig unterschiedlichen Orten in Europa umher. Dabei kristallisieren sich etwa eine Handvoll Hauptpersonen, insbesondere der italienische IT-Spezialist Manzano, heraus. Diese Charaktere können wir so etwas besser kennenlernen. Sie sitzen meistens direkt am Puls der Katastrophe und haben direkt mit der Bekämpfung und Eindämmung der Folgen des Blackouts zu tun. Weitere Nebenfiguren – meist Familienangehörige der Hauptfiguren – ermöglichen den Blick in die immer chaotischeren Verhältnisse. Dieser Kniff bringt die Geschichte dadurch etwas näher an den Leser heran.

Durch die „Unpersönlichkeit“ bekommt der Leser einen sehr fundierten Einblick in die Schwierigkeiten, die sich vor allem landes-, bundes- und auch europaweit ergeben, wenn der Informationsfluss weitestgehend zum Erliegen kommt. Als Leser hat man so den Eindruck, einen Actionfilm oder eine Nachrichtensendung zu sehen. Viele Bilder, viele Informationen, wenig Identifikation mit den handelnden Personen.

Schreibstil

Elsberg schreibt unglaublich routiniert, er absolviert meisterhaft sowohl Fachgespräche in den Krisenstäben, die über Krieg und Frieden, über Leben und Tod, über Ursachen und Wirkung fachsimpeln, als auch vulgäre Streits auf der Straße – ganz wie ein guter Film. Und nichts davon wirkt irgendwie aufgesetzt. Ich bin ein wenig neidisch darauf, wie er locker mit den zuständigen Referatsbezeichnungen und Richtlinien für Katastrophenfälle der Regierungen und auch der EU jongliert und den Leser dabei nicht langweilt. Alles bleibt (für mich) bestens nachvollziehbar. Elsberg kratzt nur an der Oberfläche der Stromversorgungs- und IT-Architektur und gibt damit genug Information wieder, um die Hintergründe gut verstehen zu können.

Der Titel „Blackout“ ist für das Buch ziemlich gut gewählt: Blackout drückt ausgezeichnet aus,

  • wie in Europa auf einmal die Lichter ausgehen und alles dunkel wird
  • wie der Informationsfluss nachlässt und Millionen von Menschen nun im Dunkeln tappen (auch, was die sonst jederzeit verfügbare Informationen betrifft)
  • wie eine kollektive Ohnmacht entsteht, in die die Gesellschaft gestürzt wird

Gedanken zum Buch

Die wichtigste Lehre an dieser Geschichte war für mich das Vor-Augen-halten, wie fragil unsere Gesellschaft ist. Die flächendeckende Stromversorgung ist erst wenig mehr als 100 Jahre alt, und doch stürzt die Gesellschaft innerhalb weniger Tage ohne Strom in ein fast schon barbarisches Chaos. Das wird auch durchaus nachvollziehbar geschrieben. Es wirkt, als hätte der Autor Elsberg sich hingesetzt und Gedankenspiele gespielt:

  1. Wenn der Strom ausfällt, was passiert dann mit den unterschiedlichen Lebensbereichen?
  2. Wohin führt das?
  3. Und wohin führt die Konsequenz daraus?

Es zeigt sich, dass so ein Stromausfall die Gesellschaft sehr nachhaltig über Jahre hinaus schädigen könnte. Eine Kettenreaktion beginnt und manche Konsequenzen lassen sich nicht mehr einfach dadurch korrigieren, dass man den Strom wieder einschaltet.

Inzwischen leben einfach zu viele Menschen auf der Erde, und sie sind auf künstliche Versorgung angewiesen. Natürliche Ressourcen können den Bedarf der Weltbevölkerung schon längst nicht mehr vollständig decken. Mir fiel der Vergleich mit einem Unfallopfer ein, das nur noch künstlich am Leben gehalten wird. Werden die Maschinen ausgeschaltet, stirbt es. Und je „intelligenter“ diese Maschinen werden, je mehr mit Steuerungssoftware gearbeitet wird und je mehr man sich darauf verlässt, dass alles reibungslos funktioniert, desto anfälliger sind diese Maschinen.

Im Buch wird bei der Ursachenforschung überlegt, ob es sich um einen kriegerischen Angriff einer fremden Macht handeln könnte. Ein General argumentierte ungefähr so, dass ein Erstschlag heutzutage genau so aussehen würde: Nicht mehr mit Artillerie oder einer Atombombe, sondern durch einen Angriff auf das elektronische Gesellschaftsrückgrat. Was ist besser als ein Überraschungsangriff? Ein Angriff, der nicht wie einer aussieht, der nicht erwidert wird und weder nennenswert eigene Ressourcen kostet noch große Risiken birgt.

Bezug zur Gegenwart

Die Geschichte ist schon [Stand: Oktober 2016] vier Jahre alt. Dennoch finden sich viele Themen darin wieder, die 2012 noch nicht, oder noch nicht so konkret greifbar waren:

  • Flüchtlingsthematiken
  • NSA und Überwachung
  • Terrorangriffe im Herzen Europas

» November 2016: Artikel über einen Hackerangriff auf 900 Mio Router der Telekom – hier wird auch angesprochen, wie gefährdet das Energieversorgungsnetz ist
» Oktober 2016: Artikel über einen Hackerangriff auf das „Internet der Dinge“, dh. Online-Haushaltsgeräte, durch die große Webseiten wie Twitter, Netflix u.a. lahmgelegt wurden

BLACKOUT: Bewertung

Bewertung: 4/5 Sterne
Mein Katastrophen-Junkie-Herz jubelte bei diesem Buch ^^ Für einen kompletten Satz Sterne fehlt für mich aber doch ein wenig die Nähe. Ein nähergebrachtes Drama, irgendwas, was auf die Empathiedrüse drückt, wäre hier hilfreich. Es sterben wirklich viele Menschen und auch Tiere, aber das tut nicht sehr weh.
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» So funktioniert die Buchbewertung

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One Comment

  1. Dicke Bücher können inhaltlich schwer werden. Blackout könnte doppelt so dick sein (1600 statt 800 Seiten) und ich würde keine Seite bereuen. Die Geschichte, die gut recherchiert und durchaus vorstellbar ist, zieht und hält einen im Bann. Sie zeigt die Gefahren unserer technischen Abhängigkeit auf und wie schnell wir in eine Zeit zurückversetzt werden, die wir mit unseren modernen Mitteln nicht mehr zu bewältigen vermögen. Menschliche Abgründe und die Auflösung jeglichen zivilisatorischen Zusammenhalts fesseln einen bis zum Schluss.
    Trotzdem ist es kein grauer Endzeitroman, sondern eine Geschichte, in die man sich einfühlen kann und von der man sich von der ersten Minute einsaugen lässt.

    Unbedingt lesen.

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