Dimitry Glukhovsky – Metro 2033

Dieses Buch erhielt von Lucyda 3 Sterne

Nach einem Atomkrieg ist die Oberfläche der Erde unbewohnbar geworden. Hier tummeln sich außerdem durch die Strahlung mutierte neue Lebensformen. Die restlichen Bevölkerung von Moskau drängt sich im früheren Moskauer U-Bahn-Netz zusammen. Trotzdem ist das neue Gleichgewicht, mit dem die Menschen überleben können, äußert fragil.

Gluchowsky - Metro 2033

Seiten: 793 + Anhang (Begriffserläuterung)
Erstauflage: 2007
Review online seit 3.10.2016

Handlung. Im Jahr 2033 leben die Moskauer, die den Atomkrieg 20 Jahre zuvor überlebt haben oder erst danach geboren wurden, in den U-Bahn-Tunneln unter der zerstörten Stadt. Nur hier kann man sich vor der Strahlung an der Oberfläche und den dadurch entstandenen mutierten neuen Lebensformen schützen.

Streng versucht man, alle Ausgänge nach oben geschlossen zu halten, um die Gefahren der Oberfläche nicht in die Metro gelangen zu lassen, und nur wenige, besonders kampferfahrene Menschen wagen sich für kurze Zeit in die Ruinenstadt, um nützliche Gegenstände von dort zusammenzuklauben.

In der Metro dagegen leben die Menschen ein ärmliches Leben in der Dunkelheit, in der schon lange keine Züge mehr fahren. Es gibt kaum Elektrizität, bestenfalls beleuchten nur wenige Glühbirnen ganze Metrostationen, in denen sich die Menschen in Zelten niedergelassen haben und versuchen, Pilze und Schweine zu züchten. Stationen sind hier vergleichbar mit Dorf- oder Stadtgemeinschaften, die untereinander Handel treiben oder sich manchmal auch zu größeren Bünden zusammenschließen, grundsätzlich aber mit ihren bis zu wenigen 100 Bewohnern für sich allein existieren. Eine übergreifende Regierung gibt es nicht und man weiss auch nicht, ob es in anderen Städten noch Überlebende gibt.

Artjom, der noch ein paar wenige Erinnerungsfetzen an seine Kindheit vor dem Krieg hat, lebt mit seinem Ziehvater in einer Station am Rande der bekannten Metro. Der Tunnel nach Norden führt zum ehemaligen Botanischen Garten, wo sich jetzt jedoch Mutanten herumtreiben, die für die Station eine ständige Bedrohung darstellen. Nachdem ein Fremder aus den inneren Metronetz sich die Lage vor Ort angeschaut hat, schickt dieser Artjom ins Zentrum der Metro, um dort von den Gefahren dieser Randstation zu berichten.

Für Artjom, der seine Station noch nie verlassen hatte, beginnt nun eine wahre Odyssee, während der er mit interessanten Menschen zusammentrifft, aber auch tödliche Gefahren in fremden Tunneln oder Stationen überstehen muss.

Rezension. Diese fremde, dunkle und irgendwie alptraumhafte Welt der Metro zieht einen erstmal tief in seinen Bann. Man möchte wissen, was hinter der nächsten Tunnelbiegung passiert oder welche Abgründe der menschlichen Unvernunft die nächste Station zu bieten hat. Nach einer Weile gewöhnt man sich jedoch daran, dass es im Grunde keine Sicherheiten und vor allem auch keine Hoffnung für die Menschheit gibt, und dann wird die Purzelei von Gefahr zu Gefahr relativ schnell langweilig. Circa die erste Hälfte des Buchs fand ich sehr spannend, dann folgte ein gutes Stück, in dem sich ähnliche Muster immer wiederholen – aber am Ende nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf und der Autor gibt dramatisch einen Ausblick in die Zukunft.

Das Buch wurde aus dem Russischen übersetzt, was für den Mitteleuropäer erstmal zu einigen schwer aussprechbaren Namen führt. Vor allem die Stationsnamen warten mit schwierigen Namen wie Ploschtschad Rewoljuzii, Krasnyje worota, Nowokusnezkaja oder Tretjakowskaja auf. Dadurch sind für mich die einzelnen Stationen zu irgendwelchen schwer merkbaren Namenswulsten verschwommen und ich konnte mir nur schwer merken, was wo passiert ist und wo Artjom sich gerade in der Metro befindet. Das Metronetz basiert auf der Realität und alle Stationen im Buch existieren auch in Wirklichkeit, so dass ein Metroplan aus dem Internet zur Orientierung genutzt werden kann.

Der Vergleich mit Homers Odysee ist wirklich nicht weit hergeholt: Das Metronetz ist ein weitverzweigtes System, in dem alle möglichen Menschengruppen ihre eigenen, häufig faschistischen oder rassistischen Regierungen bilden. Häufig genug gibt es auch Kriege zwischen einzelnen Stationen, so dass die Metro, die zwar vor der verstrahlten Erdoberfläche schützt, keineswegs ein sicherer Ort ist. Dazu kommen Legenden über Kannibalen, Geister der Toten oder irgendwelche anderen Gefahren in längst verlassenen Tunneln, so dass die gesamte „Welt“ eigentlich ein fast schon mythischer Ort ist, wenn man sich auf Reisen begibt. Die Bewohner der Metro warten mit allem auf, was die Menschheit zu bieten hat: Es gibt zwar auch Hilfe und füreinander Sorge tragen, aber viele andere Menschen werden auch von Gier und Egoismus und vor allem Gleichgültigkeit gegenüber anderen Schicksalen getrieben. Am Ende des Buchs gibt der Autor selbst eine kurze, aber treffende Zusammenfassung des Lebens in der Metro – siehe unten im Zitat ^^

Etwas schade ist, dass es mehrmals sehr unerklärliche Gefahren gibt, mehr ein Gefühl von „etwas Bösem“ im dunklen Tunnel, das die Gruppe unweigerlich töten würde, wenn sie nun nicht davor davon rennt. Aber es wird nie erklärt, was diese kollektiv erfahrene Gefahren nun hervorruft.

Obwohl wir uns mit Artjom in dieser dunklen Welt bewegen, führt uns der Autor immer wieder vor Augen, wie nah uns diese Welt eigentlich ist: Artjom denkt oft darüber nach, wie es wohl gewesen ist, als man die Metro ganz ohne Gefahr in nur einer Stunde komplett von einer Seite zur anderen durchqueren konnte, während er nun Tage und Wochen dafür braucht. Für uns bedeutet Metro eigentlich nur „beleuchteter Zug von A nach B“, die Stationen betreten und verlassen wir schnell, und von den Tunneln sehen wir nichts. Für Artjom gibt es aber nichts anderes mehr.

Für mich als Postapokalypse-Junkie liegt ein großer Reiz des Buchs in der Beschreibung dieser dystopischen „Rest“-Welt. Ich könnte mir eigentlich nicht vorstellen, auch nur einen Tag dort im Dunkeln zu leben. Es gibt dort nicht nur kein Sonnenlicht, sondern allgemein nur sehr wenig Licht, immer wieder wird beschrieben, dass die Tunnel komplett dunkel sind und es auch in den Stationen nur selten helles Licht gibt. An die Erdoberfläche sollte man auch nur nachts gehen, um vom Tageslicht nicht komplett zu erblinden.

Davon abgesehen gibt es keine Natur und irgendwie auch kaum was Schönes – das Leben dreht sich um nichts anderes als das Überleben. Und das mehr schlecht als recht.
Auch die Welt an der Erdoberfläche wird kurz beschrieben, aber was man hier erfährt, lässt einen doch in die dunklen Tunnel zurückwünschen.

Wertung. 3 Sterne plus
Die Wertung fiel mir nicht so leicht. Ich habe nun mehrere Wochen für das Buch gebraucht, weil der mittlere Teil (für mich) einfach so langweilig wurde. Dennoch ist das Buch nicht schlecht, man kann es gut lesen und es hält einem vor Augen, wie schön unsere Welt eigentlich ist.
Das Buch hatte großen Erfolg, es gibt sowohl Nachfolger als auch mehrere Fangeschichten dazu, weiterhin einen Ego-Shooter, der auf dem Buch basiert, und auch eine Verfilmung ist für 2017 wohl in Arbeit. Eigentlich muss das Buch daher gut sein. Ich finde es aber weder vom Stil, noch von der Handlung her herausragend – das Gedankenexperiment mit dem Überleben des Atomkriegs in der Metro ist aber anregend und beängstigend zugleich.

Metro 2033 – Zitat

Artjom fragt sich, aus welchen Gründen man versuchen sollte, die Metro davor zu bewahren, von irgendwelchen Mutanten überrannt zu werden.

Warum tat er das alles?
Damit das Leben in der Metro weiterging?
Ja.
Damit sie an der WDNCh weiter Pilze und Schweine züchten konnten, damit sein Stiefvater und Schenjas Familie dort in Frieden leben konnten, damit sich die Menschen wieder an der Alexejewskaja und der Rischskaja ansiedelten, damit der Handel an der Beloruskaja nicht versiegte. Damit die Brahmanen in ihren Gewänern durch die Polis wandeln und mit Buchseiten rascheln konnten, damit sie altes Wissen erforschten und an die nächsten Generationen weitergaben. Damit die Faschisten ihr Reich bauten, ihre Feinde einfingen und zu Tode folterten. Damit die Menschen des Wurms weiter fremde Kinder und entführten und Erwachsene auffraßen. Damit die Frau an der Majakowskaja weiter ihren kleinen Sohn verkaufen konnte, um sie beide durchzubringen. Damit die Rattenrennen an der Pawelezkaja nicht aufhörten und die Kämpfer der Brigade ihre Überfälle auf die Faschisten und ihre dialektichen Diskussionen fortsetzen konnten. Damit Tausende von Menschen in der ganzen Metro atmeten, aßen, einander liebten, ihren Kindern Leben gaben, sich entleerten, schliefen, träumten, kämpften, töteten, sich begeisterten, einander betrogen, philosophierten, hassten, damit jeder an sein eigenes Paradies und an seine eigene Hölle glaubte … Damit das Leben in der Metro, dieses sinnlose, nutzlose Leben, erhaben und licht, schmutzig und brodelnd, unendlich vielfältig und gerade deshalb so magisch und wunderbar – damit dieses menschliche Leben weiterging.

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