„Sie haben Ihr Ziel erreicht“ – Weniger Navi, mehr rausschauen!

Die Idee zu diesem Beitrag ist viele Jahre alt. Ich wusste nur bis vor kurzem nicht, dass es eine Idee für einen Beitrag ist :D Es geht ums Navigieren. Beziehungsweise darum, wie man den Weg von A nach B findet. Nämlich heutzutage meistens mit einem Navigationsgerät, bzw. einem Handy, das diesen Job genauso gut macht.

Oma sagt immer, die Waschmaschine hätte das Leben leichter gemacht! Mag sein, aber sie hat bestimmt nicht das Navigationsgerät auf dem Schirm gehabt. Egal, wo du bist: Du findest immer deinen Weg wohin auch immer. Einfach so, ohne Vorbereitung. Die Waschmaschine hat das Leben für die Hausfrau enorm erleichtert, aber das Navi! Es macht das globalisierte Leben erst möglich! Also so ungefähr.

Bei aller Technikbegeisterung und Freude über das einfache Zurechtfinden in fremden Städten wollte ich jetzt aber doch mal dazu anregen, mal wieder mehr mit dem Straßenatlas zu navigieren!

Und bitte beachten: Dieser Beitrag hier ist nicht contra Navigationsgerät, sondern pro Kartennavigation :D

Weiter vorne links abbiegen. In 200 Metern links abbiegen. Jetzt bitte links abbiegen.

Die Dame im Navigationsgerät

Es war einmal zur Jahrtausendwende

Ein kurzer Rückblick. Um die Jahrtausendwende wurde das Internet langsam wirklich nützlich. Es gab da z.B. diese Seite, die Stadtpläne für quasi jede Stadt als downloadbare Bilder bereitstellte. Google Maps gab es noch nicht und ich glaube, auch Navis waren nicht wirklich verbreitet. Ich jedenfalls wusste noch nicht, dass es sowas gibt (auch wenn ich sie natürlich in Segelflugzeugen schon gesehen habe).

Aber ich hatte relativ frisch meinen Führerschein und musste mich langsam darüber Gedanken machen, wie ich mich mit dem Auto irgendwo zurecht finde, wo ich mich nicht auskenne. Als (mittelmäßig) fleißige IT-Systemkauffrau-Azubine bei der Deutschen Telekom kannte ich mich mit diesen neuen Internetsachen natürlich bestens aus. Die Stadtplan-Seite war für mich ein Segen.

Sollte ich mal irgendwohin fahren, druckte ich mir vorher den Stadtplan aus und zeichnete den Weg von der Autobahn dahin ein. Und schrieb mir auf, wann ich wo abbiegen muss. Mit diesen zwei Zetteln gerüstet klappte es einigermaßen in fremden Städten. Solange ich mich nicht verfuhr.

Auf diese Weise startete ich jedenfalls in die Welt der Auto-Navigation, und ich habe mich stets gefragt: Wie haben sie (*) das früher (**) nur gemacht, als es noch keine Karten als Bilder zum Download gab?

*) Sie = Alle, die vielleicht nur zwei oder drei Jahre älter sind als ich, also ungefähr vor 1980 geboren
**) Früher = Vor 2000 :D

Naja. Um 2001 oder 2002 herum kaufte ich mir von meinem Azubigehalt ein Notebook. Ich war der Meinung, zusätzlich zu meinem Desktop-PC, den ich mir ebenfalls von meinem Azubigehalt gegönnt hatte, eben noch einen Laptop zu brauchen. Damit ich immer einen Computer dabei habe. Man hatte eben Träume :D

Debbie und Laptop
Da links isser, der dringend benötigte Laptop! Ein Bild aus grauer Vorzeit im Jahre 2002

Ich muss wohl Großverdiener gewesen sein, denn zu dieser seligen Zeit mit den Online-Stadtplänen und meinem neuen Laptop legte ich mir auch ein neues Handy zu. Es konnte GPRS! Also das Neueste vom Neuen, und damit konnte man das Handy als Hotspot für beispielsweise einen Laptop nutzen. Internet draußen, überall, immer! Natürlich mit Kabel zwischen Handy und Laptop. Und natürlich schrecklich teuer, aber theoretisch möglich – darauf kam es an.

Was für Möglichkeiten das sind! Wenn ich zu Hause eine Stadtkarte runterlade, sie im Auto auf dem Laptop öffne, den Laptop mit dem Handy online bringe … dann fehlt doch nur ein ganz kleiner gedanklicher Schritt, dass ich dann auf der Karte sehen könnte, wo ich bin?! Wow, das wäre doch die Zukunft, wie in einem Science-Fiction-Film! Jederzeit die eigene Position auf einer Karte sehen. Wie geil!

Nicht viel später wurden dann Navis massentauglich und meine Fiktion wurde schnell Realität :D

Folge dem Pfeil

Dass nun ausgerechnet ich mit meinen Navi-Träumen gar nicht so viel Bock auf Navis habe, ist dann schon irgendwie ironisch. Ich bestreite auch nicht den Nutzen von Navis, bzw. Smartphones in ihrer Funktion als Navi.

Ohne Navi allein in eine fremde Stadt fahren, ist einfach undenkbar. Es schützt davor, verloren zu gehen und hilft, zuverlässig das Ziel zu finden. Zu süß sind noch diese Leute, die es gut meinen und noch immer fragen: „Findest du die Adresse auch? Pass auf, hinter der Kreuzung Berliner Platz biegst du links ab, dann fährst du drei Straßen geradeaus, dann rechts, dann hinter dem gelben Haus links, pass auf die Einbahnstraße auf, rechts neben der Kirche ist eine kleine Einfahrt, und dann noch 2x rechts. Ganz einfach.“ – Ich schalte dann normal schon nach „pass auf“ ab. Pah, ich habe ein Navi!

Klar, Navi macht’s einfacher. Aber!

Es gibt Situationen, wo ein Navi gar nicht unbedingt nötig wäre. Es ist aber so bequem, dass wir einfach das Navi einschalten, den Kopf dafür aus, und dann folgen wir nur noch dem Pfeil. Und das finde ich total schade.

Dieser Meinung bin ich auch nicht erst seit jetzt. Als ich mir vielleicht 2006 oder 2007 mein erstes Navi kaufte, war ich zwar glücklich und sehr stolz, aber ich schaltete die Navi-Stimme sofort aus. Zu komisch kam es mir vor, dass mir ein Computer reinredet, wohin ich fahren soll, und mich 3x daran erinnert, dass ich abbiegen soll.

Mir war es lieber, immer wieder einen Blick aufs Navi zu werfen und so immer zu wissen, wo genau ich gerade bin, wie die Straßensituation der Umgebung aussieht und wann ich das nächste Mal wohin abbiegen muss.

Wenn wir zu zweit unterwegs sind und weitere Strecken fahren, dann bleibt das Navi seit Jahren auch einfach aus. Ich verlasse mich lieber auf meinen 2007/2008-Straßenatlas :D Und zwar als Fahrer genauso wie als Beifahrer.

Kartennavigation

Mit Karte navigieren fördert die Kommunikation!

Pierre muss man ein wenig drängen, als Beifahrer den Straßenatlas zu nutzen, aber ich finde, das fördert die Kommunikation :D Ich will mich darauf verlassen, dass ein Mensch die Strecke plant und den Überblick hat. Dann kann ich fragen, hey Pierre, wo sind wir denn hier? Bist du sicher, dass das der richtige Weg ist? Wo ist die nächste größere Stadt? Oh, gibt es da nicht eine nette Kathedrale, wollen wir nicht mal kurz runter von der Autobahn und sie anschauen?

Einmal fuhr ich von Heidelberg nach Braunschweig und hatte nur fremde Mitfahrer dabei. Als Fahrer trug ich die alleinige Verantwortung, von den anonymen Mitfahrern kann man ja nicht verlangen, in die Karte zu schauen und mir den Weg zu sagen. Also verließ ich mich aufs Navi. Irgendwo mitten in Deutschland zeigte das Navi auf einmal, dass ich die Autobahn verlassen soll. Warum? Keine Ahnung, vermutlich wegen eines Staus, oder wegen einer falschen Konfiguration („kürzer statt schneller“). Ich verließ die Autobahn und folgte den Pfeilen.

Nach einer halben Stunde Gejuckel über Land, vorbei an Fachwerkhäusern und Hühnerställen fragte mich einer der Mitfahrer, was ich denn da mache. Ja, weiß ich auch nicht, das Navi sagt, ich soll hier lang. Ja, aber es wäre doch einfacher, der A7 einfach zu folgen. Mh, kann sein, weiß ich auch nicht. Blödes Navi.

Wie kann man sich mit Navi so einsam und verloren fühlen? Oder eher gerade DURCH das Navi? :D

Als Beifahrer Routen tüfteln :D

Und als Beifahrer liebe ich es, einen guten Weg für die Fahrt auszusuchen. Zu wissen, wo wir sind und selbst zu entscheiden, ob es sich lohnt, vielleicht mal eine Abkürzung zu fahren, während das Navi uns 10 km weiter über das nächste Autobahnkreuz schicken würde, weil es eine Minute schneller ist.

Das Navigieren per Karte ist für mich sogar ein Grund geworden, freiwillig Beifahrer zu sein! Beifahren kann so langweilig sein, aber wer mal abseits von Autobahnen längere Strecken über Land- und Kreisstraßen navigiert, dem vergeht die Langeweile. Da heißt es, stets aufmerksam zu sein. Auf Abzweigungen und Schilder zu achten. Auf der Karte vielleicht mal die landschaftlich schönere Strecke zu identifizieren und eine neue Route zu „berechnen“.

Ein Riesenspaß, der einem komplett entgeht, wenn man nur das Navi machen lässt.

Nah dran am Weg!
Für die Nachwelt: Im Urlaub die Route permanent nachzeichnen! Das war dieses Jahr im September in Marokko

Mit Navi, aber ohne Orientierung

Und ich bin auch überzeugt davon, dass die Abhängigkeit vom Navi sich ungünstig auf die eigene „Erfahrung des Raums“ auswirkt. Wer einfach nur lenkt und bremst, während das Navi eine durch Algorithmen errechnete Route abspult, braucht sich nicht umschauen.

2018 kaufte ich mir ein neues Handy, ein P20 von Huawei. Es ist klasse, hatte aber ein Problem: Google Maps hängte sich immer auf. Also nutzten wir immer Pierres Handy als Navigationsgerät, und wenn ich allein war, musste ich mir irgendwie anders helfen.

Der Ernstfall kam vor einigen Wochen. Ich hatte einen Termin in Mannheim. Aufs Handy ist ja kein Verlass, also saß ich zu Hause am Computer und schaute mir den Weg genau an. Machte mir wie früher Notizen auf einen Zettel und versuchte mir den Verlauf und markante Kurven gut einzuprägen. Unklare Stellen schaute ich mir sogar mit Google Street View an, um mir die Orientierung vor Ort dann mithilfe von bestimmten Gebäuden etc. zu erleichtern.

Was soll ich sagen – am Ende kam ich perfekt und völlig ohne Zweifel („Wo bin ich hier?“) durch. Vorbereitung ist alles!

Einige Wochen vergingen. Ich stellte fest, mein Handy hatte ein Update bekommen und Google Maps geht jetzt wieder. Hurra! Der nächste Termin in Mannheim folgte. Gleiche Strecke, und weil ich sie nicht mehr richtig im Kopf hatte, machte ich einfach das Navi an.

Tja, und was soll ich sagen? Es war eine Katastrophe. Mir fiel auf, dass ich kein bisschen mehr auf die Kreuzungen und die allgemeine Fahrtrichtung achtete. Ich folgte einfach nur dem Pfeil. Manchmal zieht Google Maps leicht nach oder die Stelle ist etwas unklar – insgesamt bog ich 2x falsch ab und musste umdrehen. Mit Navi habe ich daher länger gebraucht und war mir ständig unsicher, wo ich jetzt bin und ob es mich auch die Strecke schickte, an die ich mich halbwegs erinnerte.

Das war eine interessante Erfahrung und ich hatte den direkten Vergleich: Einmal Orientierung anhand von Kreuzungen, Schildern und der Kenntnis über den Verlauf der Strecke. Und einmal der Sprung ins kalte Wasser, im vollsten Vertrauen auf das Navi, wodurch ich zwar die Ankunftszeit kannte, aber nicht, wo ich überhaupt genau gerade bin.

Ohne Karte entgeht euch was!

Ok, ich fahre auch in Zukunft lieber mit Navi in andere Städte, aber hey, es ist gut zu wissen, dass es auch ohne geht. Navis sind zwar hilfreich, wenn es drauf ankommt. Aber sie bewirken auch, dass wir das Mitdenken einstellen, und wenn die Technik dann mal ausfällt, dann stehen wir doof da. Sowas in der Art deutet auch dieser Beitrag an, den ich zum Thema gefunden habe.

Also, liebe Leute: Lasst doch unterwegs das Navi mal aus und schaut lieber wieder in die Karte! Es gibt viel zu entdecken, und die erfolgreiche Navigation im Dunkeln, bei Schnee, durch zahlreiche Hinterlanddörfer hinterlässt sogar ein jubelndes Erfolgsgefühl. Eine Abkürzung auf der Karte zu finden, sie dann auch auf der Straße zu finden und genau zu wissen, wo man ist – das ist viel toller, als komplett nur den Pfeilen zu vertrauen.

Kater Lopi auf Karte
Karten sind cat-approved!

Aber hey – niemand sagt, dass es wirklich einfach ist, besonders in Städten. Als wir kürzlich im Schwarzwald unterwegs waren, wollte ich stur den gesamten Weg zurück per Karte machen, ohne Handy. Auch durch die einzige größere Stadt, Pforzheim, durch die wir fuhren.

Ich denke, heute ist es schwieriger, mit Karte zu navigieren. Wo früher Schilder standen, um Ortsfremden besser auszuhelfen, steht heute nichts mehr. Wir kamen in Pforzheim an mancher Kreuzung vorbei, die nur notdürftigst beschildert war, und das bei vierspurigen Straßen.

Ich wollte schon aufgeben und Pierre nicht mehrere Wendemanöver zumuten, weil sich der Weg einfach nicht finden ließ – dann fiel mir auf der Karte die Eisenbahnlinie auf. Die konnten wir sehen, und es reichte dann, uns mithilfe des Sonnenstands an der Eisenbahn entlangzuhangeln. So geht es auch.

War früher aber mit mehr Schildern sicher einfacher. Warum sollte man heute auch Schilder aufstellen – die Einheimischen kennen sich ja aus und die Ortsfremden folgen ihrem Navi.

Bis in ein paar Jahren Autos sowieso alle selbst fahren, sollten wir das Vergnügen der manuellen Navigation jedenfalls unbedingt noch nutzen! :D Oder? Was meinst du dazu?

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert