„Das musst du gesehen haben!“ – Von Geheimtipps und Massentourismus

Ach, es sieht so schön aus auf den Fotos! Kleine Hütten drängen sich unter einem romantischen Eisenbahnviadukt eng aneinander. Die Bäume sind mit Schnee bepudert, am Boden und natürlich auf den Dächern der gemütlich beleuchteten Hütten liegt eine flauschige Neuschneedecke. Bunte Lichter erhellen den weißen Wald drumherum. Ja, die Fotos vom Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht im Hochschwarzwald machen viel her. So ein niedliches Kleinod, mal was anderes! – Und deswegen ist es dort so voll, dass man sich fühlt wie der Hering in der Dose.

Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht
So könnte der Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht aussehen (Quelle: Offizielle Website)

Alle Jahre wieder verspricht der Gedanke an Weihnachtsmärkte ein gemütliches Erlebnis mit Kunsthandwerk, einem leckeren Happen, Glühwein und natürlich eine kalte Nase. Eben ein „besinnliches Weihnachtsgefühl“, das viele vielleicht seit der Kindheit irgendwie vermissen. (Auch, wenn natürlich klar ist, dass Weihnachtsmärkte ein gigantisches Geschäft für Betreiber und Städte ist).

Die Realität sieht (natürlich) anders aus. Wir kommen an …. und finden keinen Parkplatz. Unsere Vorfreude weicht einem Gefühl von Stress und dem Gedanken: Zu Hause auch der Couch mit ein paar Kerzen wäre es wohl doch gemütlicher gewesen… Nachdem wir einen Parkplatz gefunden haben, reihen wir uns ein in den Strom der Menschen, die zum Weihnachtsmarkt ziehen. Eine wahre Völkerwanderung mit quengelnden Kindern. Endlich angekommen schlängeln wir uns dann an Menschengruppen vorbei, beschallt von „Last Christmas“ und anderen grauenhaften Weihnachtsklassikern der Popmusik. Der Stresslevel steigt, die Toleranz gegenüber dem Konsumvolk (mich eingeschlossen sinkt).

Bericht: Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht

Ja, ich hätte es also besser wissen sollen, als ich erstmals vor ein oder zwei Jahren auf Facebook die Fotos des Weihnachtsmarktes in der Ravennaschlucht sah. „Nene,“ redete ich mir ein. „Auf den Bildern sieht alles richtig schön aus, ich glaube, das ist noch ein richtiger Weihnachtsmarkt! Da müssen wir hin“. Dieses Jahr sah ich die Fotos wieder, sie tauchten irgendwo im News-Stream von Facebook oder Twitter auf. Kurzerhand buchten wir uns ein Hotel zur Übernachtung und machten uns am Samstag auf den Weg.

Der Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht liegt etwas abgelegen zwischen den Ortschaften Hinterzarten und Himmelreich an der B31 im Schwarzwälder Höllental. Parken kann dort nur, wer zuvor online einen Parkplatz reserviert. Alle anderen Besucher können kostenlose Shuttle-Busse von den beiden genannten Orten aus nutzen. Diese Anfahrtsbeschreibung unterstrich meine Annahme, dass sooo viel eigentlich nicht los sein kann unter dem Viadukt. Schließlich passen da gar nicht so viele Leute hin, und wer hat schon Lust auf Shuttle-Busse! 

Viadukt über die Ravennaschlucht
Der Viadukt

Diese Annahme war falsch. Wir kamen gegen halb 4 nachmittags in Hinterzarten an… und suchten erstmal einen Parkplatz am Bahnhof. Er war restlos voll, wir parkten irgendwie auf der Rückseite des Bahnhofs an irgendeinem Sägewerk. Nach ein paar Minuten Fußmarsch erreichten wir die Shuttle-Station. Hier hatten findige Logistiker bereits mit Metallgattern einen Warteschlangenbereich präpariert, ähnlich wie man ihn aus Vergnügungsparks kennt. Wir stellten uns in die Reihe. Es war ziemlich kalt, -7° C. Ein paar junge Typen gingen mit einem Kellnertablett herum und boten den Wartenden für 5 € pro Pappbecher dampfenden Glühwein an. Nein, danke, aber lukrative Geschäftsidee!

Innerhalb kürzester Zeit kamen drei Busse an. Die Organisatoren haben wirklich ganze Arbeit geleistet. Unser Bus war zum Brechen voll. Zum Glück dauerte die Fahrt nur etwa 10 Minuten, dann spuckte der Bus uns alle am Endparkplatz wieder aus. Auch hier warteten schon Gatter auf die unzähligen, später zurückfahrenden Menschen. Außerdem erwartete uns hier, mitten im Wald, der Schwarzwaldtourismus-Horror: Ein Best Western-Hotel, ein Kuckucksuhren-Shop, eine Kreissparkassen-Filiale und Menschen, jede Menge Menschen! Amerikaner hatten wir schon im Bus gehört, Asiaten mit den obligatorischen Selfie-Sticks liefen uns noch am Eingang zum Weihnachtsmarkt über die Füße.

Der Zutritt zum Weihnachtsmarkt ist übrigens nicht kostenlos, 4 € sind pro erwachsener Nase fällig. Wir zahlten und ließen uns von den vielen Menschen zum Markt hinschieben. Ich habe schon viele volle Weihnachtsmärkte erlebt, insbesondere die grundsätzlich sehr schönen Märkte in Esslingen und in Michelstadt im Odenwald. Und der Ravennaschlucht-Markt braucht sich in dieser Hinsicht nicht zu verstecken. Hier drängeln sich so viele Menschen auf den Flächen zwischen den 40 Hütten, auf den Treppen zum Aussichtsturm und natürlich vor der Glühweinausgabe, dass ich nur noch staunen und mich über meine eigene Naivität wundern konnte.

Wir stiegen einmal auf den Aussichtsturm, um das obligatorische Foto von Viadukt mit Hütten und Menschen zu machen, drehten unsere Runde einmal um den Viaduktpfeiler und .. verließen den Weihnachtsmarkt wieder. Wenn man eine Kette bilden muss, um sich bei den vielen Menschen nicht zu verlieren, und sich dicke Trauben um jeden Verkaufsstand bilden, dann macht es einfach keinen Spaß. Obwohl erst 17 Uhr, hatte sich bei den Shuttle-Bussen schon eine lange Schlange Rückfahrwilliger gebildet. Eines muss man den Organisatoren des Weihnachtsmarktes lassen: Die Logistik funktioniert. Besucher müssen nicht allzu lange warten und kostenlose Shuttle-Busse sind eine tolle Möglichkeit, um einen Verkehrskollaps zu verhindern. Nur …. von all dem hat man nichts, wenn der Weihnachtsmarkt selber völlig überlaufen ist.

Ravennaschlucht
Zurück zum Bus

Ich denke, der Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht hat seine Bekanntheit auch den sozialen Medien zu verdanken. Das Phänomen „Instagram-Tourismus“ wird zunehmend zum Problem. Darum geht es in diesem Beitrag: Aus Reisegeheimtipps werden Massentourismus-Ziele.

Reisen als Statussymbol

Es ist auch logisch und vollkommen nachzuvollziehen. Tagtäglich werden wir in den sozialen Medien mit den tollen Erlebnissen anderer Menschen konfrontiert. All diese Hochglanz-Fotos von entlegenen Seen, faszinierenden Ausblicken und unberührten Landschaften – „Das ist was Besonderes! Das kennt nicht jeder, da muss ich hin! Ich möchte dazu gehören zu den Weltenbummlern und Abenteurern, die mit ihren Fotos meine Timeline füllen!“

Viele Orte beginnen als Geheimtipp und enden als touristische Massenabfertigung. Island ist eines dieser Beispiele: Die karge, abgelegene Landschaft mit ihren Wasserfällen und Geysiren zog einst Landschaftsfotografen und Backpacker an. Früher verstaubten die Fotos im Reisemagazin, heute stehen sie in den sozialen Medien einem Millionenpublikum offen. Das selbst gern teilhaben möchte und sich gern ins gemachte Nest setzt: Durch die vielen Fotos weiß man ja nun schon, was sich auf Island lohnt, und Reiseberichte mit detaillierten Beschreibungen tun ihr übriges. Das muss man dann schon nicht mehr selbst erkunden und herausfinden. Dass dadurch die ganz besonderen Orte gar nicht mehr so besonders sind und sie zur gehashtagten Fototrophäe degradiert werden, ist irgendwie logisch – und die Isländer sind auch nicht begeistert.

Erst kürzlich las ich einen Artikel darüber, wie bisher beschauliche Orte in den letzten Jahren von einer Touristenlawine überrannt werden. Aus einigen wenigen Menschen noch vor zehn Jahren werden, befeuert allein durch Hashtags, immer mehr. Und so werden aus unberührten Landstrichen Warteplätze mit Warteschlangen und Mülleimern. Und alle warten darauf, selbst genau das Foto zu machen, das sie schon bei anderen gesehen haben. Es ist diese eine Perspektive oder dieses eine Motiv, das überall zu sehen ist. Und wenn du es selbst machst, dann gehörst du dazu – zu der Gruppe derer, die „mitgemacht“ haben. 

Zum „Dach der Welt“ auf den Mount Everest

Dieser Artikel über die berühmte „Trolltunga“ in Norwegen zeigt es. Es gibt tausende Fotos mit Menschen, die auf der berühmten, einsamen Felsspitze hoch über einem See irgendeine Yoga-Übung machen. Der Artikel berichtet über die Unzufriedenheit und die Enttäuschung derjenigen, die heute dort ankommen. Von stundenlangen Wartezeiten ist die Rede, von Müll in der Landschaft.

Das kommt mir bekannt vor, denn das Phänomen „Reise als Statussymbol“ ist nicht neu. Jedes Frühjahr treffen Tausende Menschen an den  Basiscamps des Mount Everest in Nepal und China ein – und zwar schon lange vor Instagram. Der Mount Everest ist nämlich nichts für den Instagramer von nebenan – wer das Dach der Welt besteigen will und nicht zufällig sehr erfahrender Alpinkletterer ist, der blättert für den Trip mindestens 35.000 $ auf den Tisch.

Trotz der realen Gefahr, den Aufstieg nicht zu überleben – das letzte Jahr ohne Tote war diesem Artikel zufolge 1977 – gehört für viele Menschen, die es sich leisten können, das ultimative Gipfelerlebnis zu einem erfolgreichen Leben dazu. Die Folge ist: Stau und Müll an einem der abgelegensten Orte der Welt. Und natürlich einiges zu erzählen im Bekanntenkreis.

Die Grand Tour für junge Gentlemen

Noch viel früher, im 18. und 19. Jahrhundert, schickte die Upper Class ihren männlichen Nachwuchs auf die „Grand Tour“ durch Europa und den Nahen Osten, um seine Ausbildung abzurunden. Die Reise führte die angehenden Gentlemen zu den Wirkstätten berühmter Gelehrter und Helden in den Landstrichen Mitteleuropas, Italiens, Spaniens und – auf den Spuren der mittelalterlichen Kreuzfahrer – auch ins Heilige Land. Man musste die Welt sehen, um im Salon mitreden zu können und als weltgewandter Mann zu gelten. 

Instagram Mitte 18. Jahrhundert: Sir Wyndham Knatchbull-Wyndham lässt sich vor klassisch-antiker Szenerie abbilden (Quelle: Wikipedia)

Bald darauf schon entstanden die ersten Reiseführer. Der Baedeker listete schon früh im 19. Jahrhundert auf, welche Orte sich zur Besichtigung lohnen und welche nicht. Gehe hierhin, besichtige jenes, dann kehre ein im Gasthaus zum Goldenen Posthorn. Dann wird deine Reise super und du hast alles gesehen, was man gesehen haben muss.

Und es ist doch auch toller, wenn man zu Hause den Nachbarn erzählen kann, man hätte den berühmten Trevi-Brunnen in Rom gesehen, statt den Dorfbrunnen in Piccolino in den Bergen – auch, wenn der Dorfbrunnen sicher mehr Charme hat als der völlig überlaufene Trevi-Brunnen. Aber den Trevi-Brunnen kennt man nunmal. Da Sprecher und Zuhörer etwas mit dem Brunnen verbinden (so sieht er aus, und „da sollte man hin“), hat der Besuch für beide Personen einen Wert. Wenn man über etwas redet, was der Gesprächspartner kennt, dann muss man sich nicht mit Basisc aufhalten. Es ist viel beeindruckender zu sagen: „Ich stand auf dem Mount Everest“, anstatt „Ich stand auf dem Ananta“ (willkürlicher Berggipfel in Peru).

Erreichbarkeit + Empfehlung = Massentourismus!

Auch wenn manche Attraktionen wie der Mount Everest oder Expeditionen in polare Regionen für die meisten Menschen unerreichbar bleiben, steht mittlerweile fast jede andere Ecke auch dir und mir offen. Mallorca, eine hübsche Insel im Mittelmeer vor Spanien, ist 1263 km von der Mitte Deutschlands (namentlich Frankfurt am Main) entfernt, aber in etwas über zwei Stunden für etwas unter 10 € (!!!!!) erreichbar. Kein Wunder, dass man heute Wochenendtrips ans Mittelmeer macht statt wie im 19. Jahrhundert in den Grüngürtel um die Großstadt. 

Google, 18.12. 2018 – This – is – MADNESS!

Eben weil wir heute nicht mehr auf unser Dorf beschränkt sind und unser Aktionsradius für ein Wochenende sogar eine Mittelmeerinsel einschließt, ist es schwieriger, mit Ansichten aus dem örtlichen Gemeindewald noch irgendjemanden hinter dem Ofen hervorzuholen. Es muss schon was Besonderes sein

Und das ist es, was der Mount Everest mit der Trolltunga in Norwegen und dem Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht zu tun hat. Es geht oft gar nicht um den Ort selbst. Wärst du der einzige Mensch auf der Welt – würdest du dann genau dorthin reisen? Was bringt es dir denn, den höchsten Berg zu besuchen, wenn du niemandem davon erzählen kannst? Für sich allein lohnt sich der Aufwand eigentlich nicht. Höhenluft kann man auch mit viel mehr Flair woanders schnuppern und viele junge Adelige hatten vielleicht gar kein großes Interesse daran, monatelang auf den Spuren von Caesar und Aristoteles zu wandeln.

Die laut verschiedener Reiseführer extrem sehenswerte Stadt Sirmione am Gardasee ist so voll, dass wir nach langer Parkplatzsuche frustriert das Weite suchten, ohne auch nur einen Fuß in die pittoreske Altstadt zu setzen. Für den spontan wirkenden und nach Lifestyle riechenden Schnappschuss auf der Trolltunga muss man weit laufen und lange anstehen, und „unique“ ist er auch nicht mehr. 

Reisen um des Fotos willen

Aber es macht einen hippen und abenteuerlustigen Eindruck, wenn man diese schicken Fotos auf Instagram teilt. Du zeigst damit: Ich lebe ein aktives Leben, ich komme herum, ich bin interessant! (Bzw. ehrlicher: Ich bin sonst immer derjenige, der andere beneidet, jetzt will ich auch mal beneidet werden!)

Ich habe mich gefragt, warum ich selbst gerne zum Weihnachtsmarkt in der Ravennaschlucht wollte. Ja, es sieht dort heimelig aus (ist es aber nicht). Heimelig ist es aber auch im Nachbarort beim Gastwirt auf der Eckbank. Warum also 200 km zu genau diesem Weihnachtsmarkt fahren? Bin auch ich dem Wahn verfallen, nur wegen der Fotos irgendwohin zu fahren? Wegen der Fotos, die ich gesehen haben und die mich ansprechen, und auch wegen der Fotos, die ich dann selbst mache und allen zeigen kann: Seht her, wo ich war?! Leider bin ich dieser Versuchung gegenüber wohl nicht ganz gefeit… 

Was soll man dagegen tun? Natürlich ist es nicht schön, wenn die lieblichen Orte dieser Welt zu einem Touristen-Disneyland werden – aber der Wunsch, traumhafte Orte selbst zu besuchen, ist doch legitim und nachvollziehbar. Nur, dass der Ort selbst eben häufig nicht so schön ist, wie man es sich vorgestellt hat. Zahlreiche Filter verbessern die Belichtung des Motivs, Farben wirken auf den Fotos immer satter, mit Photoshop sind flugs störende Elemente weggestempelt, die sich dann vor Ort eben nicht ausblenden lassen. Dazu kommen Eintrittsgelder, Warteschlangen, möglicherweise Verkehrslärm und Müll – das alles sieht man auf den romantisierenden Fotos eben nicht. Aber wir müssen uns das vor Augen halten. So schön, wie es die Instagramfotos und Werbeprospekte zeigen, ist es höchstwahrscheinlich nicht, wenn wir ankommen. Werbung hält nur selten, was sie verspricht…

Petersplatz in Rom
Der Petersplatz in Rom. In rot eingezeichnet die Schlange für den Petersdom. THIS – IS – MADNESS (nein, wir waren nicht drin)

Geheimtipps vorenthalten

Auf Facebook folgte ich einem Landschaftsfotografen. Einer dieser Fotografen, die nicht mit 1000 Filtern und Effektebenen jedes Foto zu einem märchenhaften Alptraum werden lassen. Einer dieser Leute, die für ein Foto in Kauf nehmen, davor zwei Tage lang ganz allein über nicht ausgeschilderte Pfade auf irgendwelchen namenlosen Bergen in den Anden mühsam herbeizuwandern und dann noch zwei Tage auf den perfekten Moment für das Bild zu warten. Das Ergebnis ist dann wahrlich „mind-blowing“ und weckt – natürlich – Begehrlichkeiten: Oh, da möchte ich auch mal hin! Mensch, ist das schön da!

Aber dieser Fotograf behielt bewusst die Information für sich, wo genau er das Foto gemacht hat. Dafür bekam er böse Reaktionen von Nutzern, die das nicht verstehen können. Seine Argumentation dazu, die ich vor Jahren mal las, brachte mich aber erst dazu, auch mein eigenes Knips- und Post-Verhalten zu überdenken. Dieser Fotograf sprach genau das Problem des „Instagram-Tourismus“ an. Es gibt auf der Welt nicht mehr viele unbekannte Orte, die der Tourismus noch nicht erreicht hat. Ihm sei bewusst, dass er diese Orte anderen Menschen vorenthalte und ihnen damit die Möglichkeit nehme, ihren Flair selbst zu erleben. Aber zum Flair des Ortes gehöre nunmal auch seine Einsamkeit und seine Unbekanntheit – und die sei zerstört, wenn Shuttle-Busse anrollen.

Fazit und Virtual Reality als Kompromiss?

Mit einem kleinen Tränchen des Bedauerns stimme ich dieser Meinung grundsätzlich zu. Der Mensch hat diesen Planeten so überwältigend in Besitz genommen, rottet tagtäglich Tiere und Pflanzensorten aus und verpestet die Luft – wenn er auch noch den allerletzten Ort erobert und ihn dem Kommerz preisgibt, dann bleibt am Ende nichts mehr übrig. 

Und – ich denke, viele Leser hier sehen das auch so – eine schöne, ungetrübte Aussicht in der Eifel, im Schwarzwald, im Elbsandstein oder in der Heide kann jedes obligatorische Hashtag-Motiv um Längen schlagen. Die schönsten Orte und erinnerungswürdigsten Erlebnisse sind sowieso meistens die, die man ganz spontan entdeckt und gar nicht gesucht hat.

Von daher ist dieser Beitrag vielleicht ein Appell dazu, sich weniger von „Das musst du sehen/machen“-Bildern und Reiseführern beeinflussen zu lassen. Es reicht doch, sich an den schönen Fotos anderer zu erfreuen. Irgendwie ist es sinnlos, selbst den Ort aufzusuchen und dann exakt das Foto zu knipsen, das schon Tausende andere vor einem geknipst haben. Das muss ich mir auch selbst zu Herzen nehmen :D 

Und falls du sagst: Ja schön, aber ein Foto zu betrachten ist eben nicht so, als wäre man selbst da! Dann würde ich auf die Virtual Reality verweisen. Das Ganze ist erst noch im Kommen – aber es zeichnet sich schon deutlich ab, dass sich die VR fabelhaft dazu eignet, den Nutzer virtuell (aber gefühlt real) an andere Orte zu versetzen. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit, um einerseits unberührte Orte von großer Schönheit vor Massentourismus zu schützen, und andererseits, jedem Menschen zu ermöglichen, diese Orte und deren Atmosphäre und Aussichten trotzdem zu erleben. 

Stell dir vor, du könntest jeden Ort, der dich interessiert, direkt von zu Hause aus besuchen und ohne Wartezeiten, Müllberge und andere Touristen selbstständig erkunden! Ohne Absperrungen durch Pompeji laufen! Korallenriffe anschauen, ohne sie zu zerstören! Die uralte ägyptische Grabkammer der Pharaonengattin fast schon riechen! – Oh, letzteres gibt’s schon. …. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Ähnliche Beiträge

2 Comments

  1. Texx

    Ich stimme dir völlig zu
    Das schlimme ist ja, dass die Flugpreise so billig sind, das viel zu viel geflogen wird und man mal nur für ein paar Stunden oder einen Tag völlig woanders hinfliegt, was die Umwelt total unnötig belastet. Es werden immer mehr und größere Kreuzfahrtschiffe gebaut, die auch alle nur an die selben Stellen fahren. Außerdem sind die Menschen in Venedig beispielsweise ja schon seit Jahren von den Massen der Kreuzfahrttouristen genervt.zumal ja auch die Schiffe selber großen Schaden anrichten.
    Als wir in Südafrika am Kap der guten Hoffnung waren, war die Spitze , wo die Busse ankamen, auch völlig überfüllt, wir sind dann am Berg an einem Besucherpfad eine dreiviertelstunde gelaufen, da kamen wir an ein völlig freies Plätzchen, das war viel schöner, und einen kleinen Strand hatten wir da auch für uns

    1. Ravana

      Hi Texx :-) Danke für deinen Kommentar!
      Stimmt, Kreuzfahrtschiffe hatte ich nichtmal auf dem Schirm, das sollen ja auch echte Dreckschleudern sein. Ja, es ist schon wirklich schade. Aber eben auch verständlich. Wir leben eben in einer Zeit, in der auch einfache Leute Dinge Orte sehen können, die noch vor 100 Jahren nur wirklich Privilegierte besuchen konnten.. Und das ist eigentlich gut, aber dadurch ist die Büchse der Pandora geöffnet worden.
      Ach ja… Kap der Guten Hoffnung – Da muss ich auch mal hin! :O :-(

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert