21. Juli 1868 – Der amtsmissbrauchende US-Präsident

Beim Durchblättern der heutigen Zeitungen stolperte ich über eine ganz kleine Meldung. Mit „Durchblättern“ meine ich natürlich Durchscrollen, und mit „heutig“ die heutigen Zeitungen vor ca 150 Jahren ^^

Ich stolperte über den Inhalt der Meldung, weil mir die sehr bekannt vorkamen. Aber lest selbst:

Amerika. W a s h i n g t o n, 8. Juli. Stevens hat im Repräsentantenhause fünf Zusatzartikel zu der Anklage gegen den Präsidenten Johnson eingebracht, worin er demselben den Missbrauch seines Patronatsrechtes als Präsident zur Last legt und ihn beschuldigt, gesetzmäßig verfahrende Beamte abgesetzt, Anhänger seiner Partei zu ihren Nachfolgern ernannt und das ihm zustehende Begnadigungsrecht in gemeinschädlicher Weise ausgeübt zu haben.

Das Haus nahm die fünf Artikel in Erwägung.

Görlitzer Anzeige am 21. Juli 1868, S. 2, Quelle

Oha, ein amerikanischer Präsident missbraucht sein Amt? Feuert gute Leute und setzt seine eigenen ein? Begnadigt Leute, die nicht begnadigt werden sollten? Verblüfft prüfte ich nochmal das Datum der Zeitung – 1868 stimmt, nicht etwa 2016-2020 .. ^^

Amtsmissbrauch ist schließlich der Vorwurf, dem sich Trump (ich mag ihn nicht so) Ende 2019 in seinem Amtsemthebungsverfahren stellen musste, und erst vor wenigen Tagen hatte er seinem Vertrauten Roger Stone die Haftstrafe erlassen, zu der er wegen seiner Rolle in Trumps Wahlkampf 2016 verurteilt wurde.

Das hat mich neugierig gemacht und ich wollte wissen, wer denn dieser Präsident Johnson war und was er gemacht hat. Wikipedia gibt wie meistens gut Auskunft dazu. Unter anderem steht dort, dass Johnson als einer der schlechtesten US-Präsidenten bewertet wird.

Andrew Johnson war von 1865 bis 1869 der 17. Präsident der Vereinigten Staaten und zugleich der erste Präsident, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren angestrengt wurde. Johnson und Trump haben also durchaus einiges gemeinsam .. :D Auch bei Johnson scheiterte das Verfahren, allerdings fiel das Urteil deutlich knapper aus, nur eine Stimme hatte gefehlt.

Johnson war Demokrat aus den Südstaaten, Trump ist Republikaner. Trotzdem stehen beide auf der konservativen Seite – obwohl das wie ein Widerspruch wirkt, passt es gut zusammen, wenn man sich den Wandel der beiden großen Parteien in den USA anschaut.

Heute gelten die Demokraten im faktischen Zwei-Parteien-System als die liberalere Partei, die ihre Wähler vor allem aus den großen Küstenstädten rekrutiert. Die Republikaner dagegen stehen für konservative Ansichten, sie beharren auf dem Second Amendment (dem Recht auf das Tragen von Waffen), ihre Anhänger kommen eher aus dem dünner besiedelten ländlichen Raum und das Programm Partei positioniert sich gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, Abtreibung und ein besseres Gesundheitssystem. So sieht es heute aus.

Interessanterweise war es zu Zeiten Johnsons noch genau anders herum. Damals waren die Republikaner die Guten – die „Grand Old Party“ wurde 1854 mit dem Ziel gegründet, die Sklaverei abzuschaffen, während die Demokraten sie beibehalten wollten. Daraus wurde bald darauf der amerikanische Bürgerkrieg, den die Nordstaaten gewannen, woraufhin Abraham Lincoln erster republikanischer Präsident wurde. Ja, die Republikaner sind die Partei, die die Sklaverei abgeschafft hat, während die Republikaner heute die Partei für die weiße Bevölkerung ist, während Schwarze eher die Demokraten wählen.

Lincoln hatte Johnson zu seinem Vizepräsidenten gemacht, weil der offenbar der einzige demokratische Politiker war, der sich gegen die Abspaltung der Südstaaten eingesetzt hatte. Nachdem Lincoln dann einem Attentat zum Opfer fiel, wurde Johnson automatisch zum nächsten Präsidenten.

Ein rassistischer Präsident direkt nach der Sklavenbefreiung

Und damit hatten die USA dann einen offen rassistischen Präsidenten. Denn Johnson, der Demokrat, gestand den gerade erst befreiten Schwarzen keine gleichwertigen Rechte zu wie der weißen Bevölkerung. Er sah Schwarze als minderwertig an und stellte sich kompromisslos gegen die Radikalen Republikaner, die für die freigelassenen ehemaligen Sklaven Bürgerrechte inklusive Wahlrecht forderten. Per Veto schmetterte er 1867 ein Gesetz zum Schutz des Wahlrechts von Schwarzen ab, das der republikanische Kongress erlassen hatte.

Johnson setzte in den Südstaaten ehemalige Südstaaten-Eliten in hohen Positionen ein, obwohl diese gerade den Krieg verloren hatten. Dadurch änderte sich also kaum etwas zum Besseren: Ohne das volle Bürgerrecht und ohne Existenzgrundlage mussten Schwarze oftmals unter ähnlichen Bedingungen auf den Baumwollplantagen arbeiten wie vor ihrer Freilassung.

Durch seine kompromisslose Haltung gegenüber Forderungen der Republikaner förderte Johnson eine Spaltung der Politik, wegen der man sich unerbittlich gegenüber stand.

Niemand hat mehr erleiden müssen als Johnson

An Trump erinnert auch, dass die „Mid Term Elections“ 1866, also die Kongresswahlen in der Mitte der Amtszeit des Präsidenten, quasi als Stimmungsbarometer galten: Als Zustimmung zur bzw. Ablehnung der bisherigen Politik des Präsidenten (genau wie 2018 in den USA – in diesen Wahlen wurde der Grundstein für das spätere Amtsenthebungsverfahren gelegt).

Obwohl Johnson selbst nicht abgewählt werden konnte, entschied er sich, in den Wahlkampf einzugreifen und für seine Politik Stimmung zu machen. Dazu reiste er durch das Land und machte in zahlreichen Reden Stimmung gegen die Republikaner. Ganz wie Trump heutzutage in seinen Wahlkampfveranstaltungen.

Und es wird noch besser: In einer Rede im September 1866 klang er fast schon wörtlich so wie heute Trump:

Meine Landsleute, wer hat mehr erleiden müssen als ich? Wer ist ein größeres Risiko eingegangen als ich? Wer hat mehr ertragen als ich? Doch der Kongress; der parteisüchtige, herrschsüchtige und tyrannische Kongress hat den Geist des amerikanischen Volkes zu vergiften begonnen und eine Stimmung gegen mich heraufbeschworen aufgrund der Weise, wie ich öffentliche Mittel verteilt habe.

Hier die Rede in voller Länge im Original, Übersetzung aus dem Wikipedia-Artikel zu Johnson

Wer wird immer unfair behandelt? Gegen wen gibt es von Anfang an eine Hexenjagd? – Man könnte meinen, Trump hätte von Johnson abgeschrieben.

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2 Comments

  1. Stefan

    Ich finde ja, man sollte unseren Geschichtsunterricht überarbeiten. Hierzulande wird z.B. viel über unsere Vergangenheit geredet und immer wieder betont, dass sich das nicht wiederholen darf. So weit so gut. Allerdings bin ich der Meinung, dass sich wiederholende Ereignisse aus verschiedenen Epochen mehr gegenübergestellt werden sollten. Sei es Amtsmissbrauch, soziale Ungleichheiten und dadurch entstehende Bürgerkriege, ausgebeutete und arme Staaten die dadurch anfangen Krieg mit anderen Staaten zu führen, Skandale wie Arbeiter durch mangelnde Arbeitsschutzgesetze in den Tod getrieben wurden, wie Großmächte versuchen eine ihnen freundliche/vorteilhafte Regierung/Politik in anderen Staaten der Welt herbeizuführen oder einfach mal wieder Skandale meines Lieblingsvereins, der Kirche. Würden mehr Menschen begreifen, dass sich Geschichte wiederholt, nicht nur damals, sondern auch heutzutage, und welches die Gründe dafür sind, könnten sich vielleicht mehr Menschen erklären warum die Welt heutzutage so ist wie sie ist und wer weiß, vielleicht lernt die Menschheit ja wirklich irgendwann mal dazu und es lassen sich bestimmte Wiederholungen vermeiden. Wie ich drauf gekommen bin? Dieser Artikel war einfach so ein schönes Beispiel dafür, dass ich mir den Kommentar nicht verkneifen konnte ( und sorry nochmal, dass meine Kommis so oft so ausarten und zu Romanen werden >.< ^^)

    Viele Grüße ins Ausland BW lol :)

    1. Lucyda

      Danke für deinen Kommentar :D Find ich auch vernünftig, deine Meinung zum Geschichtsunterricht. Es wird eben das Standardzeug abgespult, weil es im Lehrplan steht. Da ist sicher auch Sinnvolles dabei. Aber ähnlich wie Vieles im Matheunterricht lässt sich für die Schüler dann kein Bezug zur Realität herstellen. Man kann natürlich nicht JEDES wichtige Thema in der Schule bringen. Aber manche wichtigen Themen fehlen eben völlig. Mit Geschichte kann man eben erklären, warum die Gegenwart so ist, wie sie ist, und ja, man kann damit mahnen. Es stellt sich eben immer wieder heraus, dass wir zwar alle denken, wir sind schlauer als „die damals“ (wer auch immer), weil wir ja alles darüber schon wissen und alles aufbereitet haben. Und trotzdem passiert uns der gleiche Mist.
      Grüße zurück ins … Inland? ^^

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