17. Juli 1888 – Studentenehre und Sternenfotografie

Bevor wir uns den Weiten des Alls und den Wundern zuwenden, die sich darin verbergen, schauen wir erst auf die Studentenschaft. Hier geht es mal wieder um verletzte Ehre (oder sowas, wer weiß das schon). Der eine beleidigt den anderen, der wünscht daraufhin ein Duell auf Leben und Tod. Bekommt er das nicht, ist er natürlich noch beleidigter und muss seine Ehre irgendwie anders wiederherstellen.

Du meine Güte… *augenverdreh*

Eine unerquickliche Szene spielte sich gestern Vormittag auf dem Vorplatz der hiesigen [Berlin] Universität ab. Ein Student hatte, wie die „Germ.“ berichtet, einen anderen, Mitglied einer Korporation, die prinzipiell sich nicht duelliert, wegen angeblicher ernster Beleidigung auf schwere Waffen gefordert.

Dieser lehnte die Forderung mit Hinweis auf die Grundsätze seiner Verbindung ab; um sich nun auf andere Weise Genugtuung zu verschaffen, lauerte der Zurückgewiesene heute Vormittag dem Anderen auf und versetzte dem Ahnungslosen mit einer Reitpeitsche mehrere Schläge ins Gesicht, die blutige Striemen zurückließen. Der intervenierende Pedell [„Universitätsdiener“, siehe hier] brachte die Streitenden schließlich vor den Universitätsrichter.

Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin), S. 2, Quelle

Den nachfolgenden Bericht finde ich ziemlich spannend. Wir befinden uns im Jahr 1888 – das Jahr, in dem Kaiser Wilhelm II. deutscher Kaiser wurde (das ist der, der letztlich für den 1. Weltkrieg mitverantwortlich war). Der Zwergplanet Pluto wurde erst vier Jahrzehnte später entdeckt, Albert Einstein war gerade neun Jahre alt und die Ideen aus der Relativitätstheorie, die er später entwickeln würde und die später einige Vorgänge im Universum erhellen würde, waren noch unbekannt.

In anderen Worten: Die Zeitgenossen hatten noch nicht viel Ahnung davon, was draußen im Universum so vorgehen könnte. Aber, das zeigt der Bericht hier, sie interessierten sich dafür. Obwohl auch die Fotografie noch in den Kinderschuhen steckte – es gab etwa noch keine industriellen Verfahren oder gar Geräte für den Massenmarkt – wurden schon Versuche angestellt, das Firmament auf Fotoplatte zu bannen. Besonders die französischen Brüder Paul und Prosper Henry haben sich dabei hervorgetan.

Ihnen war bewusst, dass eine lange Belichtungszeit Objekte abbilden kann, die auch mit einem Teleskop nicht zu sehen sind. Durch lange Belichtungszeiten konnten sie also buchstäblich neue Sterne entdecken.

Plejaden
Die Plejaden <3

Im Bericht unten geht es um das Sternbild der Plejaden – was sich gut trifft, denn die Plejaden sind Namensgeberinnen meiner Website hier :D Nebenstehend seht ihr ein modernes Foto, das das Weltraumteleskop aufgenommen hat.

Die Brüder haben mit Langzeitbelichtungen von bis zu vier Stunden, wie unten nachzulesen ist, Fotos der Plejaden aufgenommen, auf denen erstmals der sichtbare Nebel um die Sterne zu sehen ist. Welche interessanten Strukturen sie noch gesehen haben, könnt ihr unten nachlesen (und anhand des nebenstehenden Fotos vergleichen).

Wie sie es ohne Software oder irgendwelche Elektronik geschafft haben, ihre Fotoapparatur vier Stunden lang exakt auf einen kleinen Himmelsbereich auszurichten, ist mir ein Rätsel :D Schon bei einer halben Minute Belichtungszeit fangen Sterne an, durch die Erdbewegung „Streifen“ zu ziehen. Es ist jedenfalls eine beachtliche Leistung! Und der Bericht ist deswegen so spannend, weil die Zeitgenossen aus unserer Sicht überhaupt keine Ahnung hatten, was sie dort sehen konnten. Da sind wir heute glücklicherweise schon weiter.

Das Foto, von dem die Rede ist, könnt ihr hier sehen – jedenfalls geht aus dem Text dazu hervor, dass es sich um dieses Foto handelt.

(N e u e R e s u l t a t e d e r S t e r n p h o t o g r a p h i e) von den durch ihre berühmten Leistungen auf diesem Gebiete bekannten Gebrüdern Henry in Paris enthält der jüngste Jahresbericht der dortigen Sternwarte.

Es ist jetzt eine photographische Karte der Plejaden dort hergestellt worden, welche nach dem Berichte des Direktors, Admirals Mouchez, fast doppelt so viele Sterne enthält als die frühere Karte, indem bei längerer gelungener Exposition auch sehr viele ganz schwache Sterne zum Vorschein kamen, etwa bis zur 18. Größe.

Dieselben werden wohl auch in den stärksten Fernrohren nicht mehr sichtbar sein. Dasselbe gilt um so mehr von den überraschend vielen Nebelflecken in derselben Gruppe, die also das menschliche bewaffnete Auge [also mit Fernrohr] niemals direkt erblicken wird, selbst nachdem die empfindlichere Photographie ihr Dasein [also das der Reflexionsnebel]offenbart hat.

Es kommen sonderbare Formen dabei vor, langgestreckte Nebelfäden, die von einem Stern zum anderen oder über mehrere Sterne hinweggehen. Andere haben das gewöhnliche Aussehen von Nebelflecken, häufig mit weit auslaufenden, schwächeren, gebogenen Strahlen.

Dass dabei keine Verwischungen durch zufällige Verunreinigungen der Platte entstanden sind, darüber hatte man sich durch wiederholte neue Aufnahmen versichert, wo die Expositionsdauer bis zu vier Stunden ausgedehnt wurde.

Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin), S. 3, Quelle
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