Wie im gekippten Fenster eine Katze ums Leben kam

Nein, es ist nicht meine Katze! Das mal vorab. Aber ich kannte sie gut, und ich habe einiges gelernt, von dem ich glaubte, es schon immer zu wissen. In diesem Beitrag geht es um Katzen, gekippte Fenster und dass das wirklich jedem passieren kann.

Diese Geschichte mit traurigem Ende ist schon eine Weile her, es war zwei Wochen nach Ostern – meine eigene Katze wurde gerade erst wieder gesund und ich war selbst noch sensibilisiert für kranke Katzen. Am Samstag meldete sich ein guter Freund bedrückt, seine Katze wäre in der Klinik. Es ist eine kleine, schwarz-weiße, superliebe und niedliche Katze. So ein richtiger „Everybody’s Darling“. Mein Freund hatte sie vor vier oder fünf Jahren bei sich aufgenommen, als ihre früheren Besitzer sich wegen Schwangerschaft oder sowas von ihr trennen mussten.

Als langjährige Katzenhalterin gab ich meinem Freund einen Tipp mit auf den Weg: Pass mit den Fenstern auf! Er hat ein Doppelfenster, also zwei Fenster nebeneinander. Stell nie nur eines auf Kipp! Denn dann könnte die Katze versuchen, durch den Spalt zu schlüpfen, und das endet oft tödlich. Klar, ich passe auf, sagte mein Freund.

Im gekippten Fenster stecken geblieben

Aber genau das war nun passiert. Als mein Freund morgens von seiner Nachtschicht nach Hause kam, hatte er seine kleine Katze Nala am Boden in seiner Wohnung gefunden, die Hinterbeine gelähmt, und sie versuchte auf ihn zuzukrabbeln. Die Vorderpfoten blutig und der Holzrahmen des Fensters völlig zerkratzt. Mein Freund schloss aus dem Kontext: Nala hatte auf ihrem nächtlichen Freigang draußen versucht, durch das gekippte Fenster zurück in die Wohnung zu kommen – und war stecken geblieben.

In der Klinik sagte man ihm, dass die Hinterbeine womöglich abgestorben wären – dann bliebe nur noch das Einschläfern. Nala muss eine Weile im Fenster gehangen haben und es dann mit aller Kraft geschafft haben, sich zu befreien. Aber während sie mit den Vorderpfoten und dem Kopf schon in der Wohnung steckte, waren die Hinterbeine noch draußen und wurden von der Blutzufuhr abgeschnitten. Das scheint öfter vorzukommen, es gibt dafür sogar einen Namen: Das Kippfenster-Syndrom.

Gekippte Fenster können für Katzen eine tödliche Falle sein. Die Öffnung scheint oben breit genug zu sein, um sich durchzuquetschen. Das gelingt auch mit dem Kopf und den Vorderpfoten, aber dann findet die Katze auf der anderen Seite in der Regel keinen Halt – sie rutscht nach unten in den schmaler werdenden Spalt. Wenn sie dann anfängt zu zappeln, um sich zu befreien, rutscht sie immer tiefer und klemmt sich damit selbst stärker ein. Die Blutversorgung wird abgeschnitten und oft werden auch Organe eingeklemmt: Diese Verletzungen sind typisch beim Kippfenster-Syndrom. Es ist kaum möglich, sich selbst wieder zu befreien – entweder findet der Besitzer die Katze noch lebendig (Rettung ist dann nur möglich, wenn sie umgehend zum Arzt gefahren wird), oder sie stirbt qualvoll allein.

Ein Alptraum wird wahr

Es bestand ein klein wenig Hoffnung, dass die Beine nur völlig ausgekühlt waren und sich vielleicht wieder erholen würden – denn die meisten Katzen schaffen es nicht, sich mit eigener Kraft aus der Kippfenster-Falle zu befreien, Nala aber schon. Deswegen gab man ihr Medikamente und Nala wurde unter eine Wärmelampe gelegt. Mein Freund sollte sich abends wieder melden.

Wie ich am Anfang schrieb, gab es kein Happy End. Am Telefon erfuhr mein Freund dann abends, dass Nala am Nachmittag schon von allein gestorben war. Ihre Beine waren abgestorben, wahrscheinlich gab es ein multiples Organversagen. Immerhin hatte sie durch Schmerzmittel keine Schmerzen mehr. Trotzdem. Es ging mir nicht in den Kopf, wie es passieren kann, dass ein über alles geliebtes Tier, das man vor allem beschützen möchte, durch so etwas sterben muss.

Ich habe das ganze morgens ja nicht mal gesehen und mein Freund verzichtete darauf, mir alle Details zu erzählen, er sagte, das Bild wäre so schrecklich gewesen, dass er es selbst aus dem Kopf bekommen muss. Und dennoch quälte mich das alles sehr.

Mit Schuldzuweisungen ist man immer schnell dabei

Die Vorstellung, wie Nala im Fenster steckt und verzweifelt versucht, sich zu befreien. Wie sie es trotz allem schaffte und sich vom Fensterbrett schwer verletzt hinab zum Boden schleppte. Wie sie noch am Leben war, als mein Freund nach Hause kam, und wie schrecklich hilflos man sich dann fühlen muss, wenn man sie so sieht. Das bange Hoffen darauf, dass alles wieder gut wird und dieser Alptraum nicht endgültig ist. Und – die Schuldgefühle, die man sich wegen des offenen Fensters machen muss.

Ich sagte es nicht, aber ich dachte es: „Ich hab’s dir doch gesagt! Pass mit den Fenstern auf! Du bist Schuld, du hast sie auf dem Gewissen!“ Es waren Trauer und Wut, die mich das denken ließen. Nala helfen Schuldzuweisungen natürlich auch nicht mehr weiter. Auch sie machte einen Fehler – sie versuchte, durch einen zu schmalen Spalt zu schlüpfen – und der war tödlich.

Eine zweite Chance, bzw. eine Chance, aus dem Fehler zu lernen, bekam sie nicht. Ich weinte um Nala und dachte, dass mir bzw. meinen Katzen sowas ja nie passieren könnte. Denn ich weiß ja um die Gefahr von gekippten Fenstern bei Katzen. Aber – you know nothing, Debbie!

Gekipptes Doppelfenster
Doppelte Fenster, von denen eines gekippt ist, kann Katzen dazu verleiten, sich oben durch den Spalt zwängen zu wollen. Okay, unsere öffnen nicht sehr weit, aber das ist kein Standard

Wie kann so etwas passieren?

Tagelang bekam ich Nala nicht aus dem Kopf. Und ich begann nach dem Kippfenster-Syndrom zu googeln, einfach nur so, weil ich ja sowieso die ganze Zeit daran dachte. Das half. Neben wirklich herzzerbrechenden Bildern und Videos von Katzen im Fenster gibt es auch viele Berichte von Menschen, die ebenfalls ihre Katze durch ein verdammtes gekipptes Fenster verloren haben.

Und genau hier lernte ich meine Lektion in Sachen Überheblichkeit. Denn ich las hier nicht von Menschen, die genau wissen, dass sie ihre Katze in Gefahr bringen und das Fenster trotzdem offen lassen. Nach dem Motto „Ich weiß, ist nicht gut, aber das Risiko geh ich mal ein, wird schon nix passieren“. Leute also, denen man ihre Schuld ins Gesicht schreien könnte.

Nein, ich las von Menschen, die ihre Katze liebten und die heftig darunter litten, was passiert war, und die sich schwere Vorwürfe machen. Menschen, die sich gewünscht hatten, dass ihren Katzen niemals etwas zustoßen würde. Und es kann dennoch passieren. Auch mir, und ich hatte Glück, dass es bist jetzt nicht passiert ist.

Die Gefahr ist nicht mal bewusst

Ich, die ich immer dachte, dass meinen Katzen das nicht passieren kann, weil ich um die Kippfenster-Gefahr Bescheid wusste, lernte, dass fast jede Katze gefährdet ist. Jeder Mensch ist mal nachlässig. Oder hat die Gefahr nicht auf dem Schirm. Selbst, wenn man eine Kippfenster-Sicherungen anbringt, kann die Katze versuchen, beim Nachbarn durchs Fenster zu kommen.

Wie oft hatte ich schon tagsüber das Fenster im Schlafzimmer gekippt und vergessen, die Tür zuzumachen, so dass ich die Katzen abends auf dem Bett fand. Ich hätte sie auch im Fenster eingeklemmt finden können. Oder umgekehrt – genau wie bei meinem Freund: Dass die Katzen draußen sind und ein Fenster offen ist. Und ich dachte nicht einmal daran, dass was passieren könnte, denn dann hätte ich das Fenster lieber zu gemacht. Wie oft habe ich meine Katzen in Gefahr gebracht und es nicht einmal bemerkt!

Und so musste ich zugeben: Das hätte mir auch passieren können. Ich schämte mich dafür, dass ich meinen Freund in Gedanken so heftig beschuldigt hatte.

Ein kleiner Appell

Diese ganze Geschichte machte mir bewusst, dass es nichts bringt, nur über die Gefahr von gekippten Fenstern Bescheid zu wissen. „Ja, ich pass schon auf, dass meiner Katze nichts passiert“.

Nein, jeder, der Verantwortung für ein anderes Lebewesen trägt, sollte wirklich darüber nachdenken, wo die Gefahren liegen. Mache dir deinen Alltag bewusst, und deine Gewohnheiten. Welche Fenster sind wann offen? Sei nicht gedankenlos – wenn deine Katze draußen ist, denke daran, die für sie erreichbaren Fenster zu schließen. Wenn sie drinnen ist, schließe ebenfalls die erreichbaren Fenster, oder behalte deine Katze im Blick, so dass du weißt, wo sie ist, oder wenn sie in Schwierigkeiten gerät.

Und wenn du denkst, dass du das nicht kannst, dann bring an die fraglichen Fenster eine Kippschutzsicherung an – kostet nicht viel. Denke daran: Durch deine Nachlässigkeit könnte deine Katze qualvoll sterben. Das ist eine reale Gefahr, die nicht verschwindet, nur weil du nicht daran denkst. Meistens überdenkt man sein Verhalten nur dann, wenn etwas passiert ist. Aber in so einem Fall darf einfach gar nicht erst etwas passieren!

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9 Comments

  1. Jürgen Engelhardt

    Ich habe auch zwei Katzen und habe bei meinen doppelflügligen Kippfenstern einen Clips am Gestänge angebracht, das die Flügel nur noch ganz wenig aufkippen. Da bleibt bis fast ganz oben kein Spalt. Auch ein Vorteil, der Flügel kippt nicht so weit auf, so das die Luftzufuhr fast nur oben ist.

  2. Ferhat K.

    Also erst einmal ein paar Hintergrundinformationen ich habe 2
    ungefähr 3 Monate alten Katzen(geschwister) von denen eine extrem neugierig ist(was ihr fast zum Verhängnis wurde) und eine die extrem scheu ist und sich immernoch nicht streicheln lässt. Die neugierige heisst Pamuk und die scheue Minoş(spricht man Minosch aus). Die beiden schlafen gerne in meinem Zimmer weil das für sie extrem vertraut vorkommt und weil sie durch mein quasi immer gekipptes Balkonfenster frische Luft bekommen.Neben diesem Balkonfenster sind Fensterbänke. (die quasi Pamuk das Leben gerettet haben)Jedoch waren diese auch der Grund wieso Pamuk fast gestorben wäre.

    Jetzt aber mal zum Vorfall. Es war sehr spät am Abend und ich wollte mich gerade schlafen legen, als ich plötzlich bemerkt habe dass irgendwas in meinem Bett ist. Das war Pamuk. ich dachte mir nichts weiteres und lies sie auf meine Fensterbank klettern daraufhin schaltete ich aber kurz die Lampe an um zu gucken was Pamuk macht und da habe ich bemerkt das Pamuk mit ihrem Kopf festgesteckt hat. Hätte ich in dem Moment nicht die Lampe angeschaltet hätte ich gar nicht mitbekommen dass ihr was passiert da ich Kopfhörer trug. Ich stand schnell auf und rannte zum Fenster um sie raus zu heben. Das schaffe ich auch,jedoch sprang sie mir aus den Armen und hatte plötzlich extrem Berührungsängste. Als ich sie streichen wollte lief sie direkt in den Keller. Ich ging hinterher und gab ihr schnell was zu essen um sie etwas zu beruhigen. Ich ging kurz zu meinem Zimmer zurück um mein Handy zu holen und bemerkte das Minoş auf der Fensterbank saß. Instinktiv und noch traumatisiert vom Vorfall fing ich an zu schreihen. Sie sprang runter und lief mit Vollgeschwindigkeit auf in den Keller. Ich war erst extrem traumatisiert und schloss alle offenen Fenster im Haus, ich dachte zu erst das das Einzelfall gewesen wäre und das ich extrem Pech hatte. Doch jetzt nachdem ich deine Geschichte gelesen habe merke ich erst wie extrem viel Glück ich eigentlich hatte. Ich werde mich in Zukunft vorsichtiger verhalten damit sowas nie wieder passieren kann. Und falls sich jemand wundert es scheint Pamuk gut zu gehen sie scheint keine Schmerzen zu haben und ist nur etwas ängstlicher geworden

    1. Lucyda

      Hey Ferhat,
      danke für deinen Kommentar und deine Erfahrung! Ich bin froh, dass Pamuk nichts passiert ist. Kleine Katzen sind ja so neugierig, zum Glück hast du nochmal nachgeschaut. Da sieht man, wie schnell sowas passieren kann, während man sich der Gefahr nicht mal bewusst ist.
      Ich bin sicher, Pamuk und Minoş haben es gut bei dir und Minoş wird sich auch noch streicheln lassen, sie braucht nur ein bisschen länger :-)
      Schönen Sonntag noch,
      Debbie a.k.a. Lucyda

  3. Securitylady

    Meine Bekannte wurde sauer, weil ich ( Katzensitter für übergewichtigen Kater) die Balkontür und die gekippten Fenster zugemacht hatte als ich spät abends ging. Sie sagte, er hätte noch nie versucht dort raus zu kommen und er wäre viel zu faul. Auf Tische, Schränke und Herd springt er aber. Er würde keine Luft bekommen, wenn man die Fenster zu machen würde sagt sie. Die Balkontür hatte ich zugemacht, erstens wegen den Insekten und zweitens, weil der Balkon ( 2. Stock) nur durch ein dünnes Katzennetz gesichert ist. Aber ok, wenn sie es unbedingt will und darauf besteht, lasse ich in Zukunft alle Fenster gekippt und die Balkontür auf. Sie soll sich dann aber nicht beschweren, wenn dem Kater etwas passiert.

  4. Aaron

    Gestern war die ganze Familie weg nur noch meine Babykatzen und die Mutter der Katzen waren zu Hause. Als wir zurück gekommen sind, fanden wir meine große Katze im Kippfenster. Sie hing zur Hälfte nach draußen, als wir sie rein geholt hatten war ihr ganzer hintere Gelähmt. Darauf hin sind wir sofort zum Tierarzt gefahren er meinte das es keinen Sinn macht sie am leben zu halten also ließen wir sie noch am selben Tag einschläfern. Die Babaykatzen waren zum Glück schon alt genug um festes Futter zu fressen.

  5. Rudi Brunner

    Ich arbeite im Büro eines Pfarramts. Der Pfarrer hat einen Kater, der gelegentlich erlaubt, meist aber nicht, durch die Büros tigert, ganz der Chef halt. Oft erscheint kurz drauf sein Meister (Sklave?), immer in Sorge, die Fenster könnten gekippt sein.
    Aus tiefer Überzeugung, dass der Kater nie und nimmer durch den Spalt passen wird, habe ich sein Herrchen oft nachsichtig belächelt, aber selbstverständlich trotzdem sofort das Fenster geschlossen.

    Nach deinem Bericht werde ich mir künftig das „be-“ sparen und nur noch lächelnd das Fenster schließen, wenn Katerchen wieder um die Wege ist.

    Schöne Grüße, Rudi

    1. Ravana

      Hallo nochmal Rudi :-)
      Danke für deinen Kommentar, der mich unglaublich freut. Wenn auch nur ein Mensch ein wenig mehr sensibilisiert wird, habe ich erreicht, was ich mir erhoffte, also vielen Dank dafür :D
      Ich wünsche eurem Pfarrerskater ein langes und glückliches Leben außerhalb des Fensterspalts und dir einen wunderschönen Restabend,
      liebe Grüße
      Debbie

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